Eine Schule, in der man lernt, was man fürs Leben braucht

Sonja Schärf-Stangl, Direktorin der VS Frohsdorf, will, dass aus Kindern kleine Persönlichkeiten werden.
Im nö.Frohsdorf hat man das Ziel, dass Kinder nicht nur zu Persönlichkeiten heranreifen.

Kinder sollen in der Volksschule Lesen, Schreiben und Rechnen lernen. Eh klar. Doch Sonja Schärf-Stangl, Direktorin der Volksschule Sta. Christiana Frohsdorf (NÖ), will mehr: Sie wünscht sich, dass die Kinder in den vier Jahren, die sie an "ihrer" Schule sind, lernen, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen.

Sie und ihre Kolleginnen wollen Schüler ein Stück des Weges begleiten, damit aus ihnen Persönlichkeiten werden. Das ist ein langer Prozess, an dessen Ende mutige, selbstständige Kinder stehen, die sich selber organisieren können und für andere einsetzen. Die Schule will Gelegenheiten bieten, um solche Fähigkeiten zu trainieren.

Auf Bäume kraxeln

Wie das gelingen kann? "Kinder müssen lernen, wer sie selbst sind. Viele können sich heute oft nicht mehr selbst spüren", sagt Schärf-Stangl. Früher sei jedes Kind auf Bäume gekraxelt, heute hätten viele Angst herunterzufallen. Im riesigen Gelände, das zur Schule gehört, sei das Klettern zum Glück möglich. Bewegung gibt es auch in der "offenen Lernwerkstatt" – einmal pro Woche sitzen die 80 Schüler nicht in Klassenzimmern. Diese sind zu "Themenräumen" umfunktioniert.

Mit den Füßen

Da können die Kleinen in einer Station vieles mit den Füßen erledigen, was sie sonst mit Händen machen: Papier in Schnitzel reißen, eine Schnur verknoten oder Kugeln greifen. Das Bewegen und Begreifen unterstützt zudem Lernprozesse.

Der Vorteil der Lernwerkstatt: "Jeder kann nach seinem Tempo lernen, wann, wo und mit wem er will", sagt die Direktorin. "Auch auf das Miteinander legen wir Wert. Deshalb lesen die Großen regelmäßig den Kleinen vor. So entsteht Verantwortung für den anderen."

Einfach einmal loben

Verantwortung für den anderen zu tragen heißt auch, ihn einfach einmal zu loben – einem Kind in der Runde zu sagen, was ihm gut gelungen ist, gehört in Frohsdorf zum Alltag. Das macht stolz, selbstbewusst und fördert die Beziehung zwischen Kindern. Und es ist ansteckend – häufig kommen Eltern in die Schule, um die Lehrer für ihre Arbeit zu loben, was natürlich auch diese motiviert. Beim Loben bleibt es aber nicht: "Wir sprechen auch Dinge an, die weniger angenehmen sind. In Klassenkonferenzen besprechen wir, was uns gefällt, was nicht. Wir haben keine Angst, etwas anzusprechen. Das ist selbst für die Eltern ein Lernprozess – zu merken, dass ihre Meinung gefragt ist. Und die Kinder erhalten so eine Praxisstunde in Demokratie."

Eine Schule, in der man lernt, was man fürs Leben braucht
VS Frohsdorf

Dialog ist auch so ein Zauberwort in Sta. Christiana. "Wir fragen die Kinder, was wir tun müssen, damit es ihnen gut geht. Und erhalten oft ehrliche Antworten", sagt die Direktorin. Dialogisches Lernen ist auch ein Grundprinzip im Unterricht. Was das in der Praxis heißt, erläutert sie so: "Wir fragen z.B., was jemand über den Herbst weiß." Dieses Wissen ist die Basis für den weiten Unterricht. So macht lernen Spaß und die Kinder werden selbstbewusster, weil sie sich als jemand erleben, der etwas kann.

Das wirkt – auch bei Kindern mit großen Defiziten. So erzählt ein Mädchen: "Was die Lehrerin anderen zwei Mal erklären muss, das muss sie bei mir 50 Mal wiederholen." Frustriert wirkt sie dennoch nicht. Sie ist eben schon eine kleine Persönlichkeit.

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