Eine Niere auf Wanderschaft

Eine Niere auf Wanderschaft
Eine Frau spendet ihrem Bruder eine Niere. Weil seine Krankheit auch das neue Organ bedroht, gibt er es weiter.

Secondhand-Organ", "Organ-Recycling", "Wanderniere". Mit derartigen Begriffen berichten US-Medien über einen aufsehenerregenden Fall: US-Ärzte haben 2011 dem lebenden Empfänger einer Spenderniere diese nach zwei Wochen entnommen und einem zweiten Patienten verpflanzt. Es soll sich um den ersten derartigen Fall bei zwei lebenden Patienten weltweit handeln.

Cera Fearing, 21, aus Illinois, spendete eine ihrer Nieren ihrem Bruder Ray Fearing, 27. Er leidet an einer chronischen Nierenerkrankung (FSGS), bei der Teile der Nierenkörperchen, die das Blut filtern, verkalken.

Die Hoffnung, dass mit der neuen Niere die Krankheit geheilt ist, erfüllte sich aber nicht: Auch diese verlor zunehmend ihre Filterfunktion. Die Ärzte informierten Fearing, dass sein Körper auch die neue Niere zerstöre. Aber möglicherweise könnte sie, falls sie rechtzeitig entnommen wird, einem anderen Patienten helfen.

Cera und Ray stimmten nach einer kurzen Bedenkzeit zu. „Letztlich schien es mir das Richtige zu sein, die Niere weiterzugeben.“ Ray Fearing muss sich jetzt wieder der Dialyse (Blutwäsche) unterziehen und wartet auf eine weitere Niere.

Beim zweiten Empfänger, Erwin Gomez, 67 – ein Diabetiker mit Nierenversagen – funktioniert seit Juni 2011 die Niere von Cera Fearing: „Ich bin glücklich, dass ich jemandem helfen konnte.“

Ausnahmefall

 „Dieser spektakuläre Fall zeigt, wie groß der Organmangel ist, dass man zu so drastischen Maßnahmen greift“, sagt Univ.-Prof. Karlheinz Tscheliessnigg, Leiter der Transplantationschirurgie an der MedUni Graz. „Aber das wird immer die Ausnahme bleiben.“

In der Fachwelt spreche man von „Domino-Transplantation“. Sie sei nach dem Hirntod des ersten Empfängers – etwa durch einen Unfall – weltweit schon einige Male vorgekommen.
„Einen solchen Fall hatten wir vor 20 Jahren auch bei uns in Graz“, erinnert sich Tscheliessnigg: „Ein Empfänger eines Spenderherzens hatte ein halbes Jahr nach der Transplantation einen Unfall mit seinem Porsche. Wir haben das funktionstüchtige, bereits transplantierte Herz ausgebaut und einem anderen Patienten eingebaut – und der lebt bis heute sehr gut damit.“

Grundsätzlich sei ein gespendetes Organ beim zweiten Einsatz empfindlicher – etwa deshalb, weil es (zwischen Entnahme und Einpflanzung) zwei Mal für kurze Zeit nicht durchblutet werde: „Hier gibt es einen Memory-Effekt.“

Angesichts des großen Bedarfs werde sowohl bei Empfängern als auch Spendern die Altersgrenze immer weiter nach oben geschoben: „Wenn ein 80-Jähriger noch gut beieinander ist, bekommt auch er noch eine neue Niere.“

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