US-Forscher in Österreich: "Es gibt einen Krieg gegen die Wissenschaft"

Protestaktion in London gegen US-Präsident Trump, der den Klimawandel leugnet und Forschungsförderungen stark gekürzt hat.
Seine Studien zum Klimawandel und zu den Folgen für verschiedene Regionen haben in den USA in den vergangenen Jahren regelmäßig für Aufsehen gesorgt. Er ist Professor an einer renommieren US-Universität, leitet eine anerkannte Forschungseinrichtung, hat viele Jahre auch für die US-Regierung gearbeitet. Trotz seines internationalen Renommees bittet der US-Klimawissenschafter im KURIER-Video-Interview aber darum, seinen Namen nicht zu nennen. Denn er ist in intensiven Gesprächen – unter anderem mit der Austrian Business Agency (ABA) – über einen Wechsel nach Europa. Österreich steht dabei in seiner engeren Auswahl.
KURIER: Sind Sie und Ihr Team auch von den Kürzungen der Forschungsförderung in den USA betroffen?
N. N.: Ein Teil unserer Forschung wird dadurch behindert, aber nicht alles. Ich selbst habe das Glück, dass eine Privatstiftung mein Forschungszentrum und meine Professur unterstützt. Aber die Forschung von Kolleginnen und Kollegen ist massiv beschränkt. Etliche haben auch schon ihren Job verloren, nicht so sehr an meiner Universität, aber an vielen anderen Unis, mit denen wir kooperieren. Und da trifft es vor allem die Jüngeren. Weil deshalb jetzt wesentlich weniger Personen zu den Auswirkungen des Klimawandels auf die USA forschen, gibt es für die verbliebenen doppelt so viel Arbeit. Also persönlich bin ich nach wie vor sehr beschäftigt.
Trotzdem überlegen Sie, die USA zu verlassen. Warum?
Weil die Lebensumstände in den USA insgesamt sehr herausfordernd geworden sind – auf politischer, sozialer und kultureller Ebene. Offen gesagt: Die Situation ist beängstigend. Ich will das erklären: Meine Forschung zum Klimawandel ist sehr bekannt, wird in US-Medien immer wieder zitiert. Das führt dazu, dass ich Drohungen, manchmal auch Todesdrohungen erhalte. Aber es sind nicht nur die „sozialen Medien“. Es steigt auch das Risiko körperlicher Übergriffe.
Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Wenn ein Auto, das Sie nicht kennen, etwas zu lange vor Ihrem Haus parkt, bekommen Sie ein mulmiges Gefühl im Magen. Mein Standort auf dem Uni-Campus muss geheim gehalten werden. Auch der Hörsaal, in dem ich meine Vorlesungen halte, darf öffentlich nicht bekannt werden. Ich muss ständig vorsichtig sein – und das ist sehr stressig, für die gesamte Familie.
Sehen Sie die Meinungsfreiheit in den USA bedroht?
Sie wird nicht nur bedroht, sie wird angegriffen. Es gibt eine unterschwellige Erosion des Rechts zur freien Meinungsäußerung. Gleichzeitig ist es äußerst schwierig, ein normales Leben zu leben, wenn man sich ständig Gedanken über mögliche Folgen seiner Arbeit machen muss. Dabei liegt ihr einziges Ziel darin, den menschlichen Fortschritt voranzutreiben.
Einige Medien schreiben bereits von einem „Krieg gegen die Wissenschaft“. Ist das so?
Ja, es gibt diesen Krieg gegen die Wissenschaft, und es gibt einen institutionellen Angriff auf die Idee, dass wissenschaftliche Daten eine Unterstützung für politische Entscheidungen sein können. Die Grundpfeiler des Rechtssystems und der Politik in den USA basieren auf Fakten und wissenschaftlichen Erkenntnissen. Diese Grundlage wird derzeit aber zweifellos untergraben.
Gefährdete Führungsrolle der USA
Kommende Woche werden in Stockholm und Oslo die Nobelpreise bekannt gegeben. Die USA haben bisher 420 Nobelpreise erhalten – deutlich mehr als jedes andere Land. Die Kürzung der Forschungsgelder könnte die Position der USA als weltweit führende Wissenschaftsnation aber gefährden, sagte Hans Ellegren, Generalsekretär der Königlich Schwedischen Akademie der Wissenschaften, der Nachrichtenagentur AFP.
Aktionsplan
Mit einem Bündel an Maßnahmen will die heimische Regierung Forschende ansprechen, die aus den USA nach Österreich kommen möchten. Das Portal „Research in Austria: Focus USA“ (auf euraxess.at) verzeichnete in den vergangenen Monaten steigende Zugriffszahlen.
3,35 Prozent
Bei diesem Prozentsatz lag 2024 die Forschungsquote in Österreich, also der Anteil der Mittel für Forschung und Entwicklung (F&E) am Bruttoinlandsprodukt (BIP). Das ist ein Spitzenwert im europäischen Vergleich. 2024 betrugen die F&E-Ausgaben in Österreich insgesamt 16,13 Mrd. Euro.
Wie konkret ist ein Wechsel nach Österreich?
Ich bin in der Mitte meiner Gespräche, die Niederlande, Irland und Österreich sind ein Thema, wobei Österreich derzeit am wahrscheinlichsten ist. Ich hätte mir in einer Million Jahre nie gedacht, dass ich in eine Situation kommen werde, in der ich mit meiner Familie in Europa Zuflucht suchen muss. Mit Unterstützung der ABA habe ich bereits engeren Kontakt zu Forschenden und zu Firmen in Österreich geknüpft, die auf meinem Forschungsgebiet tätig sind.
Mir ist bewusst, dass ich nicht der Einzige bin, der derzeit einen Wechsel nach Europa überlegt. Für Österreich und andere Länder kann das aber nur von Vorteil sein: Falls ich übersiedele, möchte ich Forschung und Innovation vorantreiben, möglicherweise eine Firma aufbauen und so einen Beitrag für die Entwicklung der Zivilgesellschaft in Österreich leisten.
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