Die Ursaat der Azteken neu entdeckt
Es klingt nach einem Superlebensmittel: Chia, eine Ölsaat, die bereits die Azteken vor 500 Jahren verwendeten, hat mehr Ballaststoffe als Leinsamen und eine überaus hochwertige Fettsäure-Zusammensetzung. Dazu kommt ein optimales Verhältnis von Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren (wichtig für den Gehirn- und Zellstoffwechsel; müssen über die Ernährung zugeführt werden) . Ebenso zeichnet sich Chia durch hohe Anteile der Vitamine B1, B8 und B3 sowie Kalzium, Magnesium und Kalium aus. Die Samen schützen das Herz, zeigten Studien. Chia verhindert Mikroentzündungen im Körper, die sich später in Form von Stoffwechselerkrankungen zeigen. Dazu soll es Ausdauer und Konzentration fördern sowie den Muskelaufbau begünstigen, da es viele hochwertige Proteine enthält.
"Außer Fisch, Walnuss und Leinsamen gibt es kaum Lebensmittel mit hohem Omega-3-Fettsäure-Anteil." Das sagt Sabrina Schaubschläger von der Firma Prochema, die die Samen in Österreich als Brotzutat vertreibt. In der EU sind die als "Ursaat der Azteken" beworbenen Samen derzeit als neuartige Lebensmittelzutat (Novel Food, Anm.) zugelassen. Schaubschläger: "Eine Zulassung ohne Mengenbegrenzung wird aber noch dieses Jahr erwartet." Die US-Gesundheitsbehörde FDA definiert Chia jetzt schon als gesundes, diätisches Lebensmittel.
In Zeiten des Internets sind neue, schwer erhältliche Lebensmittel kein Hindernis für interessierte Konsumenten. Auch Stevia, der kalorienfreie Süßstoff aus der gleichnamigen südamerikanischen Pflanze, war vor seiner EU-Zulassung 2011 unter anderem als Badezusatz deklariert und erhältlich. In Online-Foren ist Chia schon länger ein Thema: Man tauscht intensiv Bezugsquellen und Rezepte. Auch in einigen Reformhäuser finden sich die braunen, glänzenden Samen bereits in den Regalen. Etwa im Bioladen "Firmanns Bauernladen" in der Wiener Westbahnstraße. "Unsere Kunden sind sehr interessiert und kaufen das gerne, weil es so viele Omega-3-Fettsäuren auf pflanzlicher Basis enthält."
Neue Ess-Trends einbauen
Ernährungsexperten beobachten den neuen Trend ebenso. Ernährungswissenschaftlerin Erika Lasser-Ginstel beschäftigt sich viel mit dem Essen anderer Kulturen und kommentiert neue "Wunder-Lebensmittel" skeptisch: "Immer diese Hypes mit neuen Produkten." Dass ursprüngliche, alte Nahrungsmittel Abwechslung im Speiseplan bringen, sei zwar zu begrüßen. "Wir schweifen aber viel zu weit in die Ferne. Es gibt bei uns so viel Gutes, das unterzugehen droht." Das Argument der vielen gesunden Inhaltsstoffe kommentiert sie so: "Auch unsere alten Obstsorten enthalten meist mehr Vitamine als die Neuzüchtungen. Damit findet man durchaus das Auslangen."
Einen Mix aus Alt und Neu präferiert Josef Papst, Chefkoch im Hotel "Der Steirerhof". "Man braucht nichts neu zu erfinden. Es ist wichtig, zuerst das zu verwenden, was vor der Haustür wächst." So sei der heute hochgelobte Amaranth noch vor einigen Jahren ein ungeliebtes Unkraut gewesen. Dass altes Getreide wie Dinkel, Einkorn oder Emmer wieder so vielen schmeckt oder großes Interesse an Neuem wie eben Chia herrsche, führt Papst auf veränderte Sichtweisen zurück. "Das Bewusstsein ist größer, die Menschen sind neugieriger." Chia will er demnächst in seine Rezepte einbauen. Denn: "Neuentdeckungen gehören zum Genießen dazu."
Info: Hohe Nährstoffdichte, auch als Medizin genutzt
Herkunft Chia (sprich: Tschia) war schon vor 5000 Jahren ein Grund- und Kraftnahrungsmittel der Azteken und Mayas. Sie verarbeiteten es zu Mehl, nutzten es aber auch als Medizin.
Inhaltsstoffe Das Chiakorn enthält mit 21 % pro 100 g mehr Proteine als andere Getreide arten (z. B. Weizen 14 %, Amaranth 14,8 %) und enthält alle Aminosäuren, die für die Ernährung wichtig sind. Anderen Getreiden fehlen meist zwei oder mehrere und müssen ergänzt werden.
Bezugsquellen Chia ist in Reformhäusern oder über Online-Shops erhältlich (z. B. Amazon: 500 g ca. 16 €).
Buchtipp J. Papst, Getreide! Powerrezepte mit Dinkel, Weizen, Reis & Co., Kneipp-Verlag 19,99 € (erscheint Sept. 2012)
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