"Die Hormonersatztherapie ist sicher kein Jungbrunnen"
Die Geschichte der Hormonersatztherapie – mittlerweile menopausale Hormontherapie (MHT) genannt – gleicht einer Hochschaubahn: "Wurde vor 15, 20 Jahren ein Frau im Wechsel nicht mit Hormonen versorgt, galt das fast als Kunstfehler", erinnert sich Univ.-Prof. Hans Christian Egarter von der Uniklinik für Frauenheilkunde an der MedUni Wien.
Doch dann kam man 2002 in einer groß angelegten Untersuchung (Women’s Health Initiative) zum Schluss, dass der Einsatz von Östrogenen und Gestagenen schwerste Nebenwirkungen wie Herzinfarkt, Schlaganfall, Thrombosen oder Brustkrebs verursachen kann. Hormontherapien bekamen dadurch nicht nur einen negativen Beigeschmack. Mehr noch: "Ein Großteil der Frauen bekam Angst."
Studienlage
Und heute? Noch immer wird die MHT zwar als die wirksamste Methode zur Behandlung klimakterischer Beschwerden gesehen, betont Egarter. "In der Zwischenzeit wurden zahlreiche weitere Studien durchgeführt, die die damaligen Ergebnisse relativieren."
Die wesentlichste Veränderung zu früher ist der maßvolle, individuelle Umgang mit der Hormontherapie – und eine strengere Indikationsstellung. "Die Therapie muss immer an die Situation der Patientin angepasst werden. Sie sollte nur mit der individuell niedrigstmöglichen, noch effektiven Hormondosis durchgeführt werden."
Wichtig sei die Erstellung eines Risikoprofils. Gegen eine MHT spreche etwa, wenn eine Frau bereits Brustkrebs oder einen Herzinfarkt hatte. Dazu kommt die Wahl des Hormons. Aktuelle Daten zeigen, dass bioidente Östrogene und Gestagene besser und risikofreier wirken als synthetische. Egarter empfiehlt, nachzufragen, welche Hormone enthalten sind.
Richtiger Zeitpunkt
Auch der Zeitpunkt des Beginns der Therapie hat offenbar Einfluss auf ihre Wirkung, zeigen neuere Daten. Heute habe man die besten Erfolge, wenn die MHT vor dem 60. Lebensjahr bzw. innerhalb von zehn Jahren nach dem Eintreten der letzten Menstruationsblutung eingesetzt wird. "Dann ist der Nutzen am größten."
Und das Brustkrebsrisiko, das viele Frauen ängstigt? "Das Risiko liegt bei einer von 1000 Frauen. Andere Faktoren können nach der Menopause das Risiko für ein Mammakarzinom viel stärker erhöhen als eine MHT", sagt die Gynäkologin Claudia Linemayr-Wagner. Dazu zählen vor allem Übergewicht, Bewegungsmangel oder zu viel Alkohol. Ein "Jungbrunnen", der etwa die Hautalterung stoppt, sei die Therapie ebenso nicht.
Aufklärung
Die Gynäkologin setzt auf ausführliche Gespräche mit ihren Patientinnen. "Über Wechselbeschwerden und Therapiemöglichkeiten gibt es noch immer viele Vorurteile und Mythen." So glauben viele Frauen, Beschwerden müssten eben ausgehalten werden. Manche Frauen glauben auch, "ich werde böse, wenn sie keine Hormontherapie wollen. Ich sehe mich als Beraterin, entscheiden muss die Patientin selbst."
Viele Frauen setzen lieber auf pflanzliche Hormonpräparate. Auch wenn die Studienlage für die Wirksamkeit dieser Phytohormone wie etwa zuletzt in einem Test des Vereins für Konsumenteninformation nicht nachgewiesen werden kann. Wer auf Hormone verzichten will, dem rät Linemayr-Wagner etwa zu Salbeipräparaten oder Sport. "Manche haben auch mit TCM gute Erfahrungen gemacht."
Kommentare