Deutschland: Muttermilch aus dem Internet

Deutschland: Muttermilch aus dem Internet
Kinderärzte kritisieren ein privates Online-Portal, über das stillende Mütter ihre Milch verkaufen.

Manche haben zu viel, andere zu wenig – warum also nicht den einen geben, was den anderen fehlt? Das dachte sich die Hamburgerin Tanja Müller, die vor Kurzem die erste deutsche Online-Börse für Muttermilch gründete. Auf der Website verkaufen stillende Mütter überschüssige Muttermilch an Frauen, die selbst keine oder zu wenig produzieren können. Sie preisen ihre Milch mit Sätzen wie "Ich gebe ab, mein Schatz braucht nicht alles" oder "Frische Muttermilch aus gesunder & ausgewogener Ernährung abzugeben" an. Eine Mutter bietet ihre Milch etwa ab 2,99 Euro je 100 Milliliter an, eine andere verlangt acht Euro für dieselbe Menge.

Freiwillige Angaben zur Gesundheit

Die Anbieterin muss für den Verkauf ihrer Milch nur das Alter des Kindes sowie ihre Postleitzahl angeben. Medizinische Informationen, etwa ob sie Raucherin ist, Alkohol trinkt, Drogen oder Medikamente nimmt, sind freiwillig. Ob diese Angaben und solche zu Krankheiten – angekreuzt werden können beispielsweise HIV, Hepatitis und Syphilis – richtig sind, wird nicht überprüft. Die Börse basiert auf Vertrauen. Kinderärzte stehen ihr deshalb kritisch gegenüber. "An sich ist es gut, wenn Neugeborene Muttermilch bekommen. Wird fremde Milch aber nicht untersucht, kann nicht ausgeschlossen werden, dass Krankheiten auf das Baby übertragen werden“, sagt Prof. Bernhard Resch, Neonatologe an der Meduni Graz.

Geld verdienen

Deutschland: Muttermilch aus dem Internet
Volunteer Li Zhiai, 30, pumps breast milk to donate, to support breastfeeding at the Guangzhou Women and Children's medical centre in the southern Chinese city of Guangzhou May 8, 2013. With China's first breast milk bank opening in June at the centre, about 80 moms have donated to premature babies and other needy infants since the trial period started in late March, local media reported. REUTERS/Tyrone Siu (CHINA - Tags: HEALTH SOCIETY)
Ernste Krankheiten wie HIV, Hepatitis C oder die Viruserkrankung Zytomegalie, die zu grippeähnlichen Symptomen führen kann, können über die Milch weitergegeben werden. "Wenn Mütter die Milch zuhause abpumpen, ist auch der Transport ein Problem. Bis zu einem gewissen Grad sind Bakterien tolerierbar, wird aber die Kühlkette unterbrochen, kann es zu schweren Infektionen kommen", so Resch. Nur wenn die Milch sofort nach dem Abpumpen eingefroren wird, werden die meisten Viren und Bakterien abgetötet – das Zytomegalie-Virus bleibt aber beispielsweise erhalten, nur durch Pasteurisieren kann eine Übertragung ausgeschlossen werden. "Beispiele ähnlicher Börsen aus Amerika zeigen, dass Frauen die Milchproduktion bewusst anregen, um mit dem Verkauf der Milch Geld zu machen. Das ist eine bedenkliche Entwicklung", sagt Resch. So gab es etwa Fälle von drogensüchtigen Müttern, die sich Milch abpumpten, um an Geld zu kommen.

Sammelstellen in Österreich

In Österreich gibt es derzeit keine private Börse für Muttermilch, allerdings gibt es Sammelstellen, etwa an der Meduni Graz und der Semmelweis Frauenklinik in Wien, wo Frauen entweder vor Ort Milch abpumpen können oder ihre Milch von zuhause abholen lassen können. Sie wird anschließend untersucht, kontrolliert und pasteurisiert. An der Semmelweis-Klinik kann die Milch mit ärztlicher Verordnung dann beispielsweise zum Preis von 7,28 Euro je Liter erworben werden. Sie kommt etwa bei frühgeborenen Kindern, Säuglingen mit Allergien oder Kindern mit geschwächtem Immunsystem zum Einsatz. Resch: "Für manche ist es komisch, wenn das Kind die Milch einer fremden Frau erhält, aber Muttermilch ist nachgewiesen die beste Ernährung für Neugeborene. Fremde Milchnahrung muss aber einer hohen Kontrolle unterliegen."

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Close up view of a mother breastfeeding her baby (6-12 months)
Muttermilch wird 24 bis 48 Stunden nach der Geburt in den Milchdrüsen der mütterlichen Brust produziert. Sie enthält unter anderem Antikörper, abwehrfördernde Enzyme, Kalzium für den Aufbau von Knochen und Zähnen sowie Antioxidantien. Speziell für Frühgeborene hat sie positive Auswirkungen auf das Immunsystem und ist besser verträglich als Kunstmilch.

Mit der Zeit ändert sich die Zusammensetzung, da sich auch die Bedürfnisse der Säuglinge wandeln. "Bekommt ein Frühchen die Milch der Mutter eines älteren Kindes, ist das zwar nicht ideal, aber kein wesentliches Problem“, sagt Resch. Die Produktion reguliert sich üblicherweise am Bedarf des Kindes – saugt das Kind viel oder wird dies durch Abpumpen simuliert, wird mehr Milch produziert.

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