Den Körper einfrieren, um später reanimiert zu werden

Die Körper lagern in Stickstofftanks (Symbolbild)
Eine 14-jährige Krebspatientin erstritt vor Gericht das Recht zur Kryokonservierung und hofft auf ein "neues Leben".

Den Körper einfrieren lassen, um in Jahrzehnten sozusagen aufzuerstehen – in der Hoffnung, dass eine lebensbedrohliche Krankheit dann heilbar geworden ist. Das war der letzte Wunsch einer 14-jährigen Britin, die an einer seltenen Krebsart litt. Nach ihrem Tod wollte sie in ein Institut in der Wüste von Arizona gebracht werden, wo ihr Körper in einem Spezialtank aufbewahrt werden soll. Ihr Argument: Sie wolle eine "Chance, länger zu leben".

Ihre Mutter, die sie unterstützte, entsprach ihrem Wunsch – doch ihr Vater prozessierte dagegen. Nun gewann das Mädchen post mortem in einem historisch genannten Urteil.

Bis zu 200.000 Dollar teuer

Schon vor fast 40 Jahren wurde die Technik der Kryokonservierung erstmals angewendet (siehe unten), seither haben sich die Abläufe verbessert. Eine Garantie, dass das bis zu 200.000 Dollar teure Prozedere funktioniert, gibt es nicht: Noch nie wurde ein kryokonservierter Mensch wieder aufgetaut. Dennis Mühlfort von der "Deutschen Gesellschaft für Angewandte Biostase e. V." sagt zum KURIER: "Natürlich ist das alles ein Experiment. Aber ständige Fortschritte in Gerontologie oder Nanotechnologie geben Anlass zur Hoffnung." Idealerweise sollte die Medizin irgendwann in der Lage sein, den Körper "repariert" aus der Kryokonservierung zu reanimieren. "Nach heutigem Stand wissen wir aber nicht, inwieweit aufgetretene Schäden reversibel sind."

Auftau-Technik fehlt

Den Körper einfrieren, um später reanimiert zu werden
Dr. Jerry Lemler, president and CEO of Alcor Life Extension Foundation, stands in the Patient Care Bay area where the heads and bodies of 49 individuals are being held in cold storage suspension, at the company's headquarters in Scottsdale, Arizona, U.S.A. July 12, 2002. REUTER/Jeff Topping/File Photo
Sogar Firmen wie Alcor (im Bild Präsident Jerry Lemler mit Tanks), wo der Körper der 14-jährigen Britin aufbewahrt wird, geben zu, dass dies technisch derzeit nicht möglich ist. Insgesamt vertrauten bisher dennoch weltweit 200 bis 250 Personen darauf. Neben Alcor gibt es ein weiteres Institut in Michigan sowie eines in Russland.

Dennis Mühlfort steht den Möglichkeiten dieser Institute optimistisch gegenüber. "Die Kryokonservierung dient als Zeitmaschine in eine Zukunft, in der es Technologien gibt, dank derer ich mein Leben wieder aufnehmen kann."

Univ.-Prof. Renate Kain, Pathologin an der MedUni Wien, glaubt nicht, dass sich diese Hoffnung in den nächsten Jahren erfüllt. "Vieles, was bisher angenommen wird, basiert auf den Arbeiten dieser Institute." Ganz ausschließen will sie es aber nicht und erinnert an bereits gängige Techniken wie das Einfrieren von (Stamm-)Zellen oder Embryonen. "Ebenso können kleinere Organe, oder Teile von Organen, etwa Eierstöcke, eingefroren und sogar wieder eingesetzt werden."Das Hauptproblem bei ganzen Organismen aus ihrer Sicht: beim Einfrieren und Auftauen bilden sich Eiskristalle. "Sie zerstören das Gewebe." Das soll bei der Kryokonservierung durch den Tausch des Bluts mit einem Kältemittel erreicht werden. Dies müsse "sofort und sehr rasch" geschehen, damit die natürlichen Prozesse, die nach dem Tod eintreten, aufgehalten werden.

Zellabbau gleich nach Tod verhindern

"Innerhalb der ersten Minuten nach dem Tod kollabieren je nach Organ die kleinen Gefäße", erklärt Kain. Es kommt zu einem Abbau der Zellen. "Organe wie das Gehirn sind hier am sensibelsten. Nach drei bis fünf Minuten ohne Sauerstoff tritt der Hirntod ein." Vor dem Bluttausch müsste man idealerweise versuchen, den Herzkreislauf aufrecht zu halten, um das Absterben der Zellen zu verhindern.

Ethische Fragen

Das Thema wirft ebenso ethische Fragen auf: Werden Tote wieder zum Leben erweckt? Bei Alcor heißt es dazu: "Jemand, der wiederbelebt werden kann, ist nicht tot. Wenn kryonische Patienten gut aufbewahrt werden und somit eines Tages wiederbelebt werden können, sind sie nicht tot: Sie sind kryokonserviert." Kryoniker Dennis Mühlfort sieht es pragmatisch. "Zumindest werden bei einer Lagertemperatur von –196 Grad biologische Verfallsprozesse gestoppt."

Der Prozess muss so bald wie möglich nach Todeseintritt beginnen, idealerweise zwischen ein und 15 Minuten, nachdem das Herz zu schlagen aufhört. Gehirnzellen beginnen durch den Sauerstoffmangel rasch abzusterben.

Der Körper wird zuerst gekühlt, etwa in Eisbädern, um die Körpertemperatur zu reduzieren.

Blut wird entfernt und langsam durch ein Kältemittel ersetzt (Vitrifizierung, Perfusion). Das soll verhindern, dass sich in den Gefäßen Eiskristalle bilden, die die Zellen schädigen.

Die Langzeitlagerung (kryonische Lagerung) erfolgt in Stickstofftanks bei -196 Grad C.

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