Das Kreuzband aus dem Bioreaktor
Der „Fibrinkleber" ist eines der bekanntesten Beispiele für Fortschritt „Made in Austria" auf diesem Gebiet: Er stillt Blutungen nach Unfällen und sorgt dafür, dass – etwa nach Verbrennungen – transplantierte Hautlappen besser anwachsen. Dabei handelt es sich um eine rund 30 Jahre alte Wiener Entwicklung der Firma Immuno (heute Baxter) und der AUVA (Allgemeine Unfallversicherungsanstalt).
Heute ist Wien bei der Entwicklung neuer Methoden für Verletzungsopfer mit der AUVA und dem Ludwig Boltzmann Institut (LBI) für experimentelle und klinische Traumatologie (Wissenschaft von Verletzungen und Wunden sowie deren Entstehung und Therapie) weltweit führend – auch der Fibrinkleber wurde hier weiterentwickelt und verbessert: Ein Grund, weshalb ab Mittwoch der Weltkongress für Gewebezüchtung und Regenerative Medizin in der Wiener Hofburg stattfindet.
Kreuzband
„Künstliche Ersatzmaterialien haben sich bisher nicht sehr bewährt", sagt LBI-Leiter Univ.-Prof. Heinz Redl. Mit der Technischen Universität Wien und dem „Kompetenzteam der Fachhochschule Technikum" (Andreas Teuschl und Dominik Rünzler) wurde jetzt ein Verfahren für einen natürlichen Bandersatz entwickelt: Basis ist ein Bestandteil von Naturseide (Seidenfibroin) – er macht die hohe Reißfestigkeit (und auch den Glanz) der Seide aus. Ein Trägergerüst aus diesem Material wird in einen Behälter (Bioreaktor) mit körpereigenen Zellen (z.B. aus dem Schleimhautbereich im Knie) zusammengebracht. „Das Trägergerüst wird dabei gedehnt und verdreht wie unter natürlicher Belastung", erzählt Redl. Die Zellen wachsen an der Seidenstruktur an und werden von Beginn an die Belastung gewöhnt: „Das Endprodukt entspricht der Stabilität und Reißfestigkeit eines natürlichen Bandes." In zwei bis drei Jahren könnten erste Studien mit Patienten starten.
Knorpelgewebe
Bei sehr schweren Knieverletzungen wird derzeit Knorpelgewebe von einer nicht belasteten Stelle des Knies entnommen, Zellen werden isoliert, in einer Kultur vermehrt und in einem zweiten Eingriff nach zwei bis drei Wochen an die verletzte Stelle injiziert. „Zwei Eingriffe bedeuten eine höhere Belastung – und es geht Zeit verloren", sagt Redl. „Wir arbeiten deshalb an Verfahren, gleich bei der ersten Operation Stammzellen aus dem körpereigenen Fettgewebe in das Knie zu transplantieren. Diese sollen Wachstumsfaktoren abgeben und so den Heilungsprozess fördern."
Stoßwellen
Der Einsatz von Stoßwellen, um das Knochenwachstum und Heilungsprozesse anzuregen, ist ebenfalls ein Schwerpunkt der Wiener Forscher. „Jetzt haben wir erstmals gesehen, dass – etwa bei einer Hand- oder Beinverletzung – durch Stoßwellen auch das Nervenwachstum angeregt wird und sich die Wachstumsgeschwindigkeit fast verdoppelt."
Plazenta
Schon heute werden Stammzellen aus der innersten Eihaut (Amnion) der Plazenta (Mutterkuchen) Patienten mit Wundheilungsstörungen verabreicht. Sie werden z.B. in der Blutbank des Roten Kreuzes in Linz tiefgefroren gelagert. Sie werden nicht abgestoßen und können deshalb jedem Menschen gegeben werden. Der Wiener Genetiker Markus Hengstschläger hat entdeckt, dass diese Stammzellen auch im Fruchtwasser vorkommen.
Info: Gemeinsam für den Patientennutzen
Schwerpunkt Dass Österreich auf dem Gebiet der Geweberegeneration international führend ist, ist auf einen großen Forschungsschwerpunkt (Austrian Cluster for Tissue Regeneration) zurückzuführen. Die Ziele sind ein besseres Verständnis der Regeneration von Weichteilen, Knorpel, Knochen und Nerven – und die Entwicklung neuer und verbesserter Behandlungsmethoden.
Mitglieder Beteiligt sind die Ludwig-Boltzmann-Gesellschaft, die AUVA, das Oberösterreichische Rote Kreuz (Blutbank Linz), die MedUni Wien, die Bernhard Gottlieb Uni-Zahnklinik, die TU Wien, die Paracelsus Medizinische Privatuniversität Salzburg und die Fachhochschule Technikum Wien.
Unfälle Rund 813.000 Menschen verunglückten in Österreich 2011 bei Unfällen (2010: 824.000). Rund drei Viertel aller Unfälle (2011: 601.800 Unfälle) ereignen sich zu Hause, in der Freizeit oder beim Sport.
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