Das Gehirn mit Supercomputern verstehen
Begutachtet ein Arzt ein Magnetresonanz-Tomografie-Bild eines Patienten mit Gedächtnisproblemen, ist die Diagnose oft nicht eindeutig. „Vergleicht ein Computer das Bild mit einer großen Zahl von MRT-Aufnahmen anderer Patienten, führt das zu einer wesentlich genaueren Diagnostik, als sie der einzelne Arzt schafft“, erzählt Univ.-Prof. Alois Saria von der MedUni Innsbruck, Leiter der Abteilung für Experimentelle Psychiatrie.
Das Zusammenführen von in vielen Kliniken gespeicherten Einzeldaten ist ein Schwerpunkt des Montag präsentierten „Human Brain Project“ (HBP), eines der beiden neuen „EU-Foschungs-Flaggschiffe“. Ziel dabei ist es, das gesamte bestehende Wissen über das menschliche Gehirn zusammenzuführen und das Gehirn Stück für Stück auf Supercomputern in Modellen und Simulationen nachzubilden – ein solcher soll in Jülich in Deutschland errichtet werden. In jedes der beiden „Forschungs-Flaggschiffe“ sollen in den nächsten zehn Jahren je eine Milliarde Euro fließen – eine Hälfte der Mittel kommt von der EU, die andere sollen öffentliche Institutionen, Universität und die Mitgliedsstaaten aufbringen.
Krankheiten verstehen
An dem Projekt sind mehr als 80 europäische und internationale Forschungseinrichtungen beteiligt – darunter drei aus Österreich: Neben der MedUni Innsbruck auch das Institute of Science and Technology Austria (IST) in Klosterneuburg (Hirnforscher Prof. Peter Jonas) und das Institut für Grundlagen der Informationsverarbeitung der TU Graz (Prof. Wolfgang Maass).
„Die Diagnostik von neurologischen und psychiatrischen Erkrankungen erfolgt heute hauptsächlich auf der Basis von Symptomen“, so Saria. „Eine Simulation des Gehirns mittels Supercomputern würde uns helfen, besser zu verstehen, welche Prozesse bei verschiedenen Hirn-Krankheiten ablaufen.“
An der MedUni Innsbruck sollen junge Wissenschaftler für diese künftigen Herausforderungen der Hirnforschung ausgebildet werden. Das IST liefert Daten aus dem Hippocampus (mitzuständig für Gedächtnisverarbeitung und -speicherung) und die TU Graz untersucht, wie sich die Arbeitsweise von Neuronen-Schaltkreisen im Hirn von jener von Computerchips unterscheidet.
Angst, dass ein von Rechnern simuliertes menschliches Hirn sich verselbstständigt, müsse man nicht haben, betont Saria: „Das ist reine Fantasie – sämtliche unserer Forschungsprojekte müssen von Ethikkommissionen genehmigt werden.“
Österreichische Forscher sind auch an dem zweiten EU-Forschungs-Flaggschiff beteiligt: Dabei geht es um den hauchdünnen, aber extrem widerstandsfesten Werkstoff Graphen, der in Zukunft Silikon und andere Materialien ersetzen könnte.
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