Darmspiegelung: Zu wenig Anbieter, lange Wartezeiten

Das Darmmodell der Felix-Burda-Stiftung: Es zeigt plastisch die Polypen (Vorwölbungen), die bösartig werden können.
Vorsorgeprogramme: Konflikte um Tarife behindern den Ausbau.

Gute Vorsorgeprogramme wirken – und können Menschenleben retten: Das zeigt jetzt eine Auswertung des 2007 gestarteten Vorarlberger Programms zur Vorsorgekoloskopie, das Donnerstag in Wien präsentiert wurde. Dort bekommen die Ärzte auch mehr bezahlt als in anderen Bundesländern.

250 Euro gibt es im Ländlie für eine Früherkennungs-Darmspiegelung (im österreichweiten Schnitt sind es laut Kammer 167 €) – wenn strenge Qualitätsstandards eingehalten werden. Durch die hohe Vergütung gibt es auch ein sehr breites Angebot an Koloskopie-Anbietern. Außerdem wird das Programm beworben. Fazit:

21 Prozent der Versicherten in der Zielgruppe der Über-50-Jährigen nehmen an dem Programm teil, sagt Vorarlbergs Ärztekammerpräsident Michael Jonas. Österreichweit liege die Teilnehmerrate unter zehn Prozent der Zielgruppe.

Vor Einführung der Vorsorgekoloskopie wurde jeder zweite Darmkrebs erst im Spätstadium der Metastasierung entdeckt.

Seit 2007 werden hingegen 70 Prozent der Karzinomerkrankungen im Frühstadium aufgespürt – und nur noch 8,8 Prozent im Spätstadium: "Ein gewaltiger medizinischer Fortschritt."

Einsparungen

Und laut Jonas auch ein finanzieller: "Die Chemotherapie-Kosten im fortgeschrittenen Darmkrebs-Stadium betragen pro Patient 235.000 Euro." Durch das Vorsorge-Programm gebe es in Vorarlberg jährliche Einsparungen an medizinischen Kosten in der Höhe von knapp sechs Millionen Euro. Österreichweit könnten durch so ein Programm jährlich 150 Millionen Euro eingespart werden."

Doch bei der Österreichischen Ärztekammer sieht man einen gegenteiligen Trend: "Der Hauptverband erschwert ganz offensichtlich den Zugang zu Vorsorgeprogrammen mit dem klar erkennbaren Ziel, die Frequenzen zu senken", sagt Vizepräsident Johannes Steinhart.

Keine Kostendeckung

Dies zeige sich bei der Koloskopie ebenso wie bei der Vorsorgeuntersuchung (siehe unten). So hätten kürzlich wegen der niedrigen Tarife für die Koloskopie einige Ärzte im niedergelassenen Bereich aufgehört, diese anzubieten. Eine Kostendeckung für die erforderliche Qualität sei damit nicht möglich.

Prim. Univ.-Prof. Dr. Rainer Schöfl, stv. Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Gastroenterologie und Hepatologie: "Grundsätzlich können wir auf unser Vorsorgeprogramm stolz sein. Eine staatlich finanzierte Vorsorgekoloskopie für alle ist im internationalen Vergleich die Ausnahme – in den meisten Ländern ist sie erst nach einem positiven Bluttest möglich."

Lange Wartezeiten

Es stimme aber, dass das Angebot im niedergelassenen Bereich zu gering sei: "Und das liegt zu einem guten Teil an den Tarifen für die Ärzte." Deshalb komme es teilweise auch zu langen Wartezeiten für Vorsorgekoloskopien in den Spitälern.

Beim Hauptverband weist man zurück, Vorsorgeprogramme zurückzufahren: "Gesundheitsförderung und Vorsorge sind eine zentrale Herausforderung", sagte Vorsitzender Peter McDonald. Und die Tarife seien ausreichend, so ein Hauptverbandssprecher.

4000 Menschen erkranken jährlich in
Österreich an Darmkrebs – insgesamt einer von 17 im Laufe seines Lebens.

2000 Menschen sterben jedes Jahr an den Folgen.

90 Prozent aller Fälle könnten durch die Entfernung der Polypen (bei der Darmspiegelung) verhindert werden.

Ab dem 50. Lebensjahr sollte jeder alle sieben bis zehn Jahre eine Darmspiegelung durchführen lassen.

Seit zehn Jahren sei das Honorar für die Vorsorgeuntersuchung (75 Euro) nicht an die Inflation angepasst worden, kritisiert die Ärztekammer. Der Hauptverband bietet rund 82 Euro an – „bei Abschluss der notwendigen Weiterentwicklungen“. Die Ärztekammer sieht in diesen plus zehn Prozent aber lediglich eine „längst notwendige Anpassung“ für das bestehende Programm – und fordert mit 95 Euro für ein erweitertes Leistungsangebot, etwa ein Befundblatt mit ärztlichen Verhaltensempfehlungen.

Erweiterungsmöglichkeiten

Unabhängig von dem Streit sehen Experten durchaus Erweiterungsmöglichkeiten: „Man könnte den Impfstatus erheben und fehlende Impfungen gleich nachholen“, sagt Sozialmedizinerin Univ.-Prof. Ursula Kunze von der MedUni Wien. „Bei Rauchern zeigt die Messung des Kohlenmonoxidgehaltes in der Ausatemluft, wie sehr das Blut damit belastet ist – Kohlenmonoxid ist ein Risikofaktor für die Entstehung von Atherosklerose.“ Und die Messung der Handkraft könnte eine Aussage über die Muskelmasse und z. B. das Sturzrisiko liefern.

Brustkrebsscreening

Kritik übte Steinhart am Brustkrebsscreening: Hier gebe es durch die Umstellung auf das Einladungssystem weiterhin einen deutlichen Rückgang bei den Mammografien. Dazu die medizinische Leiterin Marianne Bernhart: „Seriöse Zahlen gibt es erst 2016.“ Das Programm werde nicht geändert, aber das Service ständig erweitert. Frauen zwischen 40 und 45 und über 70, die sich für das Programm anmelden müssen, werden jetzt bereits nach 48 Stunden freigeschaltet.

Bald eine Million

Seit der Einführung der „Vorsorgeuntersuchung Neu“ vor zehn Jahren gibt es einen Aufwärtstrend: 931.032 Österreicherinnen und Österreicher haben sie in Anspruch genommen. 2005 waren es 775.723 Personen.

Regionale Unterschiede

Im Burgenland, in Kärnten und in Tirol gehen mehr als 20 Prozent der Versicherten über 18 Jahre regelmäßig zu der Untersuchung, in Niederösterreich hingegen nur 6,1 Prozent. Der österreichweite Bundesschnitt liegt bei 13,3 Prozent.

Altersverteilung

Die am stärksten vertretene Altersgruppe bei der Untersuchung sind bei den Männern die 50- bis 54-Jährigen, bei den Frauen die 45- bis 49-Jährigen. Insgesamt setzen mehr Frauen (477.224) als Männer (433.808) auf Vorsorge.

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