Gegen den Infarkt in jungen Jahren

"Böses" Cholesterin lagert sich an der Innenschicht der Gefäße an.
Viele der betroffenen 8500 Jugendlichen wissen nichts von ihrem Risiko.

Mit 58 Jahren fehlte der Mutter von Susanne Müller plötzlich die Kraft, bergauf zu gehen. Ursache: Fortgeschrittene Gefäßverkalkung (Atherosklerose): "Sie bekam sofort vier Bypässe." Und ein Arzt in der Rehabilitation wurde hellhörig: "Er äußerte den Verdacht auf vererbtes erhöhtes Cholesterin: Als Tochter sollte ich deshalb auch meine Werte untersuchen lassen." Obwohl Susanne Müller damals, vor 17 Jahren, erst 28 war, hatte sie ein Gesamtcholesterin von 420 mg/dl (ideal ist unter 200).

Eine von 200 bis 500 Personen weltweit ist an dieser erblich bedingten Fettstoffwechselstörung ("Familiäre Hypercholesterinämie", FH) erkrankt. Bereits im Kindesalter sind die Cholesterinwerte chronisch erhöht. Das Risiko bei engen Verwandten wie Eltern, Geschwistern oder Kindern eines FH-Patienten, die Krankheit ebenfalls zu haben, liegt bei 50 Prozent.

"Die Betroffenen sind in der Regel schlank, es gibt keine sichtbaren Zeichen der Krankheit", betont der Ernährungsmediziner Univ.-Prof. Kurt Widhalm (Akademisches Institut für Ernährungsmedizin). Allerdings: Schon bei Kindern sind Veränderungen (Verengungen) an der Halsschlagader nachweisbar. "In Österreich sind hochgerechnet 8500 Kinder und Jugendliche betroffen, aber nur einige Hundert sind in Behandlung", sagt Widhalm.

"Sind in einer Familie neben erhöhten Cholesterinwerten bereits bei jungen Menschen Gefäßerkrankungen (etwa Atherosklerose, Herzinfarkt, Anm.) aufgetreten, sollten sich alle Angehörigen untersuchen lassen", sagt Kardiologe Prim. Univ.-Prof. Kurt Huber (Wilhelminenspital Wien). "Meist wissen die Angehörigen nichts von ihren erhöhten Cholesterinwerten." Und gerade bei jüngeren Patienten nehmen Infarkte oft einen sehr schweren Verlauf.

Neue Medikamente

Basis der Therapie ist eine Ernährungsumstellung, sagt Widhalm. Mit einer Reduktion der gesättigten Fette und vermehrt Sojaeiweiß statt tierischem Eiweiß kann zumindest bei einem Teil der Betroffen der Wert des "bösen" LDL-Cholesterins so stark gesenkt werden, dass keine zusätzliche medikamentöse Therapie notwendig ist. Ist sie das doch, sind zunächst Statine (Cholesterinsenker) die Mittel der ersten Wahl. Stoffwechselexperte Prim. Univ.-Prof. Rudolf Prager (Krankenhaus Hietzing): "Sie können erhöhte Cholesterinspiegel um 50 bis 60 % senken." Bei wem das nicht funktioniert bzw. wer Statine nicht verträgt, könnte von neuen Präparaten profitieren, die derzeit das Zulassungsverfahren durchlaufen: Spezielle Antikörper, die alle 14 Tage unter die Haut injiziert werden.

Bei ganz schweren Fällen müssen sich Patienten einer Blutwäsche unterziehen, so Univ.-Prof. Kurt Derfler (MedUni Wien): Einmal wöchentlich werden dabei die krankmachenden Blutfette entfernt.

"Leider gibt es in Österreich kein Früherfassungsprogramm. Bereits mit einem einfachen Bluttest im Kindesalter können die Blutfette bestimmt werden", so Univ.-Prof. Susanne Greber-Platzer (Kinderklinik MedUni Wien).

"Es gibt noch viel zu wenig Bewusstsein in der Bevölkerung", sagt Gabriele Hanauer-Mader, die die Patientenorganisation "FHchol Austria" gründete – ihr Mann und ihre Tochter sind ebenfalls Betroffene: "Hohe Cholesterinwerte müssen unbedingt ernst genommen werden."

Gegen den Infarkt in jungen Jahren

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