Wie aus Lehrern richtige Profis werden
Die Schule wird zur Dauerbaustelle – permanent wird an ihr herumreformiert. Nach Zentralmatura oder Neue Mittelschule stehen jetzt die Schulautonomie und Ganztagsschule auf der Agenda. Doch spätestens seit der Metastudie des neuseeländischen Bildungsforschers John Hattie ist klar: Der Erfolg eines Bildungssystems hängt nicht von Strukturen ab, sondern von der Qualität der Lehrer. Der KURIER hat mit der Lehrerbildnerin Brigitte Bruschek über die Auswahl und Ausbildung der Pädagogen gesprochen.
KURIER: Auf den Lehrer kommt es an. Doch was macht einen guten Lehrer aus?
Brigitte Bruschek: Er braucht Haltung und ein professionelles Verständnis vom Beruf Lehrer. Eine Lehrerin ist keine Privatperson, die irgendwie mit Kindern zu tun hat. Sie wird im Klassenzimmer nicht als Frau Maier oder Frau Gruber gesehen, sondern in ihrer Rolle als Lehrerin wahrgenommen. Der Lehrberuf ist eine Profession, was auch in der Ausbildung verstärkt ins Zentrum gerückt werden muss. Eine gute fachliche und methodische Ausrüstung ist das Eine. Doch das wichtigste Werkzeug des Lehrers ist seine professionelle Persönlichkeit. Deshalb legen speziell Pädagogische Hochschulen (PH) Fokus auf das Entwickeln einer reflektierten Identität als Lehrer. An der Kirchlich Pädagogischen Hochschule (KPH) Wien/Krems geschieht das z. B. durch eine Professionalisierungsschiene über alle acht Semester hinweg.
Wie kann man sich diese Professionalisierung vorstellen?
Im Rahmen der Pädagogisch-praktischen Studien begleiten wir angehende Lehrkräfte während ihrer wöchentlichen Praxisstunden in der Schule, geben Feedback nach bestimmten Kriterien und leiten sie zur Selbstreflexion an. Jeder Studienanfänger hat ja ein Bild von seinem zukünftigen Beruf, das er sich durch eigene Schulerfahrung erworben hat. Er glaubt deshalb zu wissen, wie der Beruf geht. Wenn er dann im Klassenzimmer steht, merkt er in kurzer Zeit, dass die Wirklichkeit sich anders darstellt. Dieser Perspektivenwechsel ist wichtig, um die entscheidenden Fragen stellen zu können: "Wer bin ich? Welche Lernbiografie habe ich? Welche Überzeugungen und Erwartungen habe ich? Und was bewirkt das im Umgang mit Kindern?" In einem zweiten Schritt geht es um die Kommunikation zwischen Schülern und Lehrern, des Weiteren um Konfliktmanagement, Elternarbeit etc. Unterrichten ist in erster Linie Beziehungsarbeit – auf Basis der fachlichen und pädagogischen Expertise.
Wie merkt ein Student, dass er kein guter Lehrer sein wird?
Ich sage Studierenden im ersten Semester: "Denken Sie gut darüber nach, ob Sie die nächsten 40 Jahre mit Kindern verbringen wollen, die Ihnen nicht unbedingt zuhören wollen, die eventuell nicht lernen wollen, die eigentlich gar nicht da sitzen wollen und die Sie jede Stunde neu gewinnen müssen." Wenn die Studentin, der Student dann sagt "Ja, ich will!", dann ist es mit hoher Wahrscheinlichkeit der richtige Beruf. Das Studium an PHs hat da natürlich den Vorteil, dass Studierende von der ersten Woche an in Klassen hospitieren und selbst unterrichten. Da kann man sich ein realistisches Bild machen. Es gibt nämlich etliche Lehrer, die aus Idealismus und Grundliebe zu Kindern den Beruf ergreifen, aber letztlich die wichtige Entwicklung von der privaten zur professionellen Persönlichkeit nicht ganz schaffen. Man kann aber nicht 40 Jahre in diesem Umfeld psychisch und physisch gesund agieren, wenn man sich täglich mit seiner Privatperson hineinwirft, ohne über Strategien des Führens und der Abgrenzung zu verfügen.
Dabei heißt es, dass ein guter Lehrer authentisch sein soll.
Viele glauben, authentisch zu sein bedeutet: "Ich bin im Beruf so, wie ich als Privatperson bin." Das ist eine Falle. Was es braucht, ist eine selektive Authentizität: "Ich bin zwar keine andere Person, aber nicht zu 100 Prozent meine private Persönlichkeit, sondern nur der Anteil, den ich als Ressource für meinen Beruf nutzen kann, der mir zur Erfüllung meiner Aufgabe dienlich ist." Das kann z. B. die Art sein, wie ich etwas erzähle, oder die Fähigkeit, empathisch zu sein. Ein Beispiel: Wenn ich am Elternabend sage, ich habe ein Kind im Alter Ihres Kindes, schaffe ich einen Konnex, erwerbe mir vielleicht zusätzlich das Vertrauen der Eltern. Das unterstützt wiederum meine Arbeit mit den Schülern. Wenn ich aber anfange, über die Schwierigkeiten meiner Schwangerschaft zu philosophieren, überschreite ich eine Grenze. Das ist unprofessionell. Ich bin Lehrerin, nicht die beste Freundin. Das meine ich mit selektiver Authentizität.
Müssten Direktoren nicht dafür sorgen, dass sich Lehrer da besser fortbilden?
Ja, und in den letzten Jahren geschieht dies auch in zunehmend Maße, oft auf Initiative der Lehrenden selbst. Allerdings wird eine solche Fortbildung unter Umständen immer noch als Schwäche gesehen nach dem Motto: "Der braucht das". Die Kultur der geschlossenen Klassenzimmertüren, wo alles wunderbar scheint, ist durchaus noch anzutreffen. Da gilt es, radikal umzudenken. Auch Führungskräfte in der Wirtschaft lassen sich coachen. Da ist es salonfähig geworden, als Begleitung einer Aufgabe, die den menschlichen Aspekt fordert. Es braucht die neue Generation von Pädagogen, die regelmäßige Selbstreflexion bzw. Supervision oder Coaching als Teil ihrer Arbeit sehen. Auch Lehrer sind ja im Prinzip Manager, also Führungspersönlichkeiten mit sehr komplexen Aufgaben.
Braucht es eine bessere Auswahl der Lehrer?
Es gibt Eignungsverfahren und Studieneingangsphasen, wo sich so etwas herauskristallisieren kann. Man kann seine eigene Professionalität aber auch nach und nach entwickeln. Da muss man schon sehr achtsam vorgehen. Es ist eine schwierige Sache, jemandem aufgrund einer punktuellen Einschätzung in einem Aufnahmegespräch diese Entwicklungsmöglichkeit zu nehmen.
Braucht es mehr Ressourcen für die Lehrerausbildung?
Es ist einmal mehr die Frage, was es uns wert ist, die nächste Generation gut auszubilden und fit für das Leben in unserer Gesellschaft zu machen. Die Wirtschaft weist immer wieder darauf hin, wo es Probleme gibt – die gibt es nicht nur beim Wissen, sondern auch ganz stark bei der Haltung der jungen Menschen. Lehrer haben eine Schlüsselfunktion bei der Entwicklung von Werten und Einstellungen. Sie müssen sich dieser Mission bewusst werden – und sie brauchen neben einer fundierten fachlichen und methodischen Kompetenz vor allem eine hohe Expertise im professionellen Umgang mit sich selbst und ihrer beruflichen Aufgabe.
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