Blutung durch Blutverdünner
Sie sollen vor lebensgefährlichen Blutgerinnseln – vor allem bei Vorhofflimmern oder nach Gelenksoperationen – schützen: Neue, einfach zu dosierende Medikamente zur Blutverdünnung. Doch laut dem Magazin Der Spiegel sind in Deutschland heuer bereits 72 Todesfälle von Menschen, die das Präparat Xarelto von Bayer eingenommen hatten, gemeldet worden. Bis Ende August gab es bei 968 Patienten unerwünschte Wirkungen.
„In Österreich werden diese Präparate erst eingesetzt, wenn Patienten mit Marcumar keine stabilen Blutgerinnungswerte erreichen oder nur schlecht zu den bei Marcumar notwendigen Gerinnungstests kommen können“, sagt Univ.-Prof. Franz Weidinger, Präsident der Österr. Kardiologischen Gesellschaft. Dies hänge vor allem mit den deutlich höheren Kosten zusammen. „International wird den neuen Präparaten aber zunehmend der Vorzug gegeben. Denn in den großen Zulassungsstudien war die Zahl lebensgefährlicher Hirnblutungen geringer.“ Die regelmäßige Einnahme alleine sollte einen konstanten Blutspiegel garantieren – die Bluttests wie bei Marcumar fallen weg.
In Österreich ist die „AGES Medizinmarktaufsicht“ für die Überwachung bereits zugelassener Arzneimittel zuständig. Seit der Zulassung von Xarelto 2008 erhielt sie 273 Nebenwirkungsmeldungen, darunter waren 16 Todesfälle. Bei dem Konkurrenzprodukt Pradaxa (Boehringer Ingelheim) gab es seit 2008 118 gemeldete Nebenwirkungen und neun Todesfälle. Zu Marcumar wurden seit 2006 31 Nebenwirkungen und zwei Todesfälle gemeldet.
Schwer vergleichbar
„Diese Daten kann man aber nur schwer vergleichen“, sagt AGES-Experte Christoph Baumgärtl. „Denn bei neuen Produkten sind die Ärzte viel aufmerksamer und melden wesentlich mehr.“ Auch müsse den Ursachen der Nebenwirkungen genau nachgegangen werden: „Bei einer starken Einschränkung der Nierenfunktion dürfen die Präparate nicht verordnet werden“, sagt Baumgärtl: „Hier ist die Frage, ob das immer berücksichtigt wurde.“
Sowohl unter Marcumar als auch bei den neuen Präparaten könne es zu Blutungen kommen. „Derzeit gehen wir und die europäische Arzneimittelbehörde EMA davon aus, dass der Nutzen dieser Medikamente größer als ihr Risiko ist. Deshalb gibt es auch keine Empfehlung, auf ein anderes Präparat umzusteigen.“ Es ließen sich keine neuen Gefahren durch Xarelto feststellen, gab Montag auch die deutsche Arzneimittelbehörde bekannt. „Am positiven Nutzen-Risiko-Profil hat sich nichts geändert“, hieß es bei Bayer.
Kritiker wie Wolfgang Becker-Brüser, Herausgeber des pharmakritischen „arznei-telegramms“, sehen Mittel wie Xarelto nur als Reservepräparate. Denn im Gegensatz zu Marcumar gebe es noch kein Gegenmittel, das im Notfall eine lebensgefährliche Blutung rasch stoppen könne.
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