Bluthochdruck-Risiko wird unterschätzt

Bluthochdruck-Risiko wird unterschätzt
Sozialmedizinerin: Österreicher glauben fälschlicherweise, ihn spüren zu können

Wenn von Bluthochdruck als „Volkskrankheit“ die Rede ist, klingt das oft etwas verharmlosend. „Anhaltend hoher Blutdruck ist der wichtigste Risikofaktor für Gefäßerkrankungen (z. B. Atherosklerose), die Herzschwäche, Herzinfarkt, Schlaganfall sowie Augen- und Nierenschäden verursachen können“, sagt Univ.-Prof. Anita Rieder, Leiterin des Instituts für Sozialmedizin der MedUni Wien. Bluthochdruck ist Thema des nächsten Gesundheitstalk am Mittwoch (siehe unten).

KURIER: Wie häufig ist Bluthochdruck in Österreich?

Anita Rieder: Zumindest ein Viertel der erwachsenen Bevölkerung in Österreich ist davon betroffen. Umfragen, die in den vergangenen drei Jahrzehnten vom Institut für Sozialmedizin in Wien durchgeführt wurden, zeigen: Durch Informationskampagnen ist zwar das Bewusstsein für die Gefahren des Blutdrucks gestiegen. Aber an der eigenen Blutdruckkompetenz hat sich nichts geändert.

Was bedeutet das?

Weiterhin weiß ein großer Teil der Hypertoniker nichts von seinem erhöhten Blutdruck. Und 61 Prozent der Bevölkerung sind der Ansicht, Bluthochdruck auch ohne Blutdruckmessung erkennen zu können. Und das ist definitiv falsch. Bis ein zu hoher Druck Symptome wie Kopfschmerzen verursacht, ist es schon sehr spät und sind schon viele Organschäden eingetreten. Die Österreicher unterschätzen das Risiko von Bluthochdruck. Die wichtigste Botschaft lautet: Jeder – auch Kinder und Jugendliche – sollte seinen Blutdruck kennen. Denn dieser kann auch eine genetische Ursache haben – dann können schon Kinder betroffen sein. Dies ist allerdings zum Glück nur selten der Fall, meist ist bei Kindern und Jugendlichen eine andere Grunderkrankung der Auslöser.

Was sind Ursachen von Bluthochdruck?

Bluthochdruck-Risiko wird unterschätzt
Univ. Prof. Anita Rieder, Institut für Sozialmedizin
In 95 Prozent aller Fälle ist keine konkrete Ursache – wie etwa eine Nierenerkrankung – als Auslöser nachweisbar. Häufig ist es eine Kombination verschiedener Risikofaktoren, die einen primären Bluthochdruck auslösen: Starkes Übergewicht, Bewegungsmangel, hoher Salzgenuss, Alkoholkonsum, eine erbliche Vorbelastung und auch das Alter.

Was kann man mit einer Lebensstil-Änderung erreichen?

Bereits ein paar Kilo weniger Übergewicht können die Blutdruckwerte deutlich senken (siehe Grafik). In Kombination mit Ausdauerbewegung und Ernährungsumstellung kann man viel erreichen. Bei einem leicht erhöhten Blutdruck und höchstens ein bis zwei weiteren Risikofaktoren wie etwa Übergewicht und Bewegungsmangel kann eine Lebensstiländerung ausreichen. Zuerst sollte aber Ärzte das Risiko feststellen und entscheiden, ob gleich Medikamente notwendig sind oder der Effekt einer Lebensstiländerung alleine abgewartet werden kann – dieser muss nach einigen Woche überprüft werden. Aber auch bei einer medikamentösen Therapie sollte eine Lebensstiländerung die Grundlage bilden, denn dadurch wird die Wirksamkeit der Medikamente verstärkt.

Info:

Bluthochdruck ist das Thema des Gesundheitstalks am Mittwoch, 6. 11. Diskussion ab 18 Uhr.

Ab 17 Uhr Möglichkeit zum Gesundheitscheck (Blutdruck, Körperfett, Lungenfunktion, BMI-Bestimmung). Ort: Van-Swieten-Saal der MedUni Wien, Van-Swieten-Gasse 1a (Ecke Währinger Straße), 1090 Wien. Veranstalter: KURIER, MedUni Wien und Novartis. KURIER-Ressortleiterin Gabriele Kuhn diskutiert mit Univ.-Prof. Anita Rieder, Institut für Sozialmedizin der MedUni Wien, OA Gabriele Jakl-Kotauschek (Wilhelminenspital) und Franz Radl, Präsident Wiener Herzverband.

  1. Richtig selbst messen: Messung am Oberarm oder Handgelenk. Bei Handgelenksgeräten Hand in Herzhöhe halten. Anfangs morgens und abends jeweils zwei bis drei Messungen.
  2. 30-mal messen: Wer selbst misst, sollte dies mindestens 30-mal tun. Sind dabei sieben oder mehr der 30 Messwerte größer / gleich 135/85 mmHg, spricht man von Bluthochdruck. Weil bei Selbstmessungen der „Weißkitteleffekt“ wegfällt (Anspannung beim Arztbesuch), liegt hier die Schwelle zum Bluthochdruck bei 135/85 mmHg und nicht wie bei einer Einzelmessung beim Arzt bei 140/90 mmHg. Bei normalem Blutdruck genügt eine jährliche Kontrolle. Besteht ein Verdacht auf Bluthochdruck, empfiehlt die Österr. Gesellschaft für Hypertensiologie als beste Methode eine ambulante 24-Stunden-Blutdruckmessung.
  3. Salzkonsum ermitteln: „Im Schnitt nehmen wir mit unserer Ernährung täglich acht bis zehn Gramm Salz zu uns“, sagt Sozialmedizinerin Anita Rieder. „Es sollten aber nicht mehr als rund fünf Gramm – ein gestrichener Teelöffel – sein.“ 80 Prozent werden über verarbeitete Lebensmittel aufgenommen. „Auf den meisten Lebensmitteln ist der Natriumgehalt angeführt“, sagt Rieder: „Ihn muss man mit 2,5 multiplizieren, um auf den Salzgehalt zu kommen (1 Gramm Natrium entspricht 2,5 Gramm Salzgehalt). Übergewichtige sind häufiger salzsensitiv. Je älter man wird, umso größer der Einfluss des Salzes auf den Blutdruck.
  4. Kaffee: „Er wird oft als eine Ursache für Bluthochdruck verdächtigt, aber dafür gibt es – bei durchschnittlichem Konsum – keinen Nachweis“, so Rieder. Allerdings: Wer schon Hypertoniker ist, kann auf die Zufuhr von Koffein oder Tein mit einem vorübergehenden weiteren Anstieg reagieren.
  5. Stress: Er kann bei sensitiven Personen für Blutdruckspitzen – vor allem bei hoher Belastung – sorgen.
Bluthochdruck-Risiko wird unterschätzt

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