Blut absperren beim Trainieren: So funktioniert‘s

Blut absperren beim Trainieren: So funktioniert‘s
Mit weniger Gewicht mehr Muskeln – das verspricht eine Trainingsmethode, bei der man sich mit einem Band Arme oder Beine abbindet.

Mehr Gewicht, mehr pumpen, mehr Muskeln – so lautet das Motto vieler Hobbysportler. Das sogenannte Blood Flow Restriction Training (kurz BFR) verspricht genau das Gegenteil, nämlich mit weniger Gewicht mehr Muskeln aufzubauen.

Mithilfe von Manschetten oder Bändern wird der Blutfluss in Armen oder Beinen gebremst. "Das Blut wird jeweils oberhalb des Muskels abgebunden. Das verringert den Blut-Rückfluss in den Venen und fördert die Ausschüttung von Wachstumshormonen", sagt Unfallchirurg und Sportarzt Roman Ostermann. Gleichzeitig verwendet man leichtere Gewichte als gewohnt.

Der Effekt: Durch den Rückstau beim Abtransport des Blutes kommt es zur Vermehrung von Laktat. Dieses Stoffwechselprodukt des Körpers entsteht im Muskel, wenn er Energie benötigt. "Laktat bewirkt die Ausschüttung von Wachstumshormonen und spielt eine Rolle beim Muskelaufbau. Insgesamt zeigen die meisten Studien, dass die Effekte des BFR-Trainings trotz niedrigerem Gewicht vergleichbar oder höher sind als bei normalem Krafttraining", erklärt Ostermann. Die Drosselung des Blut-Rückflusses führt bei geringerem Gewicht offenbar zu einem Zuwachs an Kraft und Muskelmasse.

Blut absperren beim Trainieren: So funktioniert‘s

Kaatsu-Training

Ursprünglich stammt das Training mit der Manschette aus Japan. Der Arzt Yoshiaki Sato von der Universität Tokio ließ sich die Methode im Jahr 1994 als Kaatsu-Training patentieren. Die Grundzüge entwickelte er bereits in den 1960er-Jahren bei Tests an sich selbst. Als Beweis für den Erfolg seiner Methode veröffentlichte er 2005 eine Studie, in der er bei Sportlern mit einer Manschette den Blutfluss der Beine bremste und sie mit niedrigeren Gewichten als gewohnt an der Beinpresse Übungen machen ließ. Mit diesem Kraftgerät, das in fast jedem Fitness-Studio zu finden ist, werden vor allem Muskeln des Oberschenkels, des Gesäßes sowie der Beinbizeps trainiert.

In der japanischen Studie legten die Teilnehmer mithilfe der Methode tatsächlich an Kraft und Muskeln zu. Auch andere Studien zeigen eine Wirksamkeit des Trainings, das auch als Okklusionstraining (Okklusion bedeutet Verschluss) bezeichnet wird.

Abbinden

Zur Intensität des Blut-Abbindens gibt es laut Ostermann in der Fachliteratur unterschiedliche Angaben: "Einige empfehlen den Blutfluss in den Venen abzubinden, andere raten zu so festem Abbinden, dass auch der arterielle Blutfluss – also vom Herzen in die Gewebe – unterbunden wird." Der Sportmediziner empfiehlt, nur den venösen Blutrückfluss abzubinden. Zu diesem Schluss kommen auch Experten der University of Tampa in einem Übersichtsartikel.

Blut absperren beim Trainieren: So funktioniert‘s

Denn würde auch der arterielle Blutfluss unterbunden, das Band also sehr fest gebunden, kann dies nicht nur sehr schmerzhaft sein, sondern zu Gewebsschäden führen. Wie fest zu fest ist, kann allerdings nur mithilfe eines Ultraschall- bzw. eines Blutdruckmessgeräts festgestellt werden. Die patentierten Manschetten des Japaners Sato sind an ein Gerät, den "Kaatsu-Master", angeschlossen, das über den Blutdruck und die Intensität des Abbindens Auskunft gibt. Diese Informationen fehlen Hobbysportlern, die ihr Blut lediglich mit einem Band absperren – ohne Kontrolle über den Blutfluss.

Nebenwirkungen

Gesundheitliche Folgen sind selten, wie eine japanische Übersichtsstudie aus dem Jahr 2006 mit rund 12.600 Teilnehmern zeigt: Bei 13 Prozent traten Blutergüsse, meist unterhalb der Manschetten, auf. Bei einem von 1700 kam es zu Blutgerinnseln. Eine Person erlitt eine Lungenembolie, den lebensgefährlichen Verschluss einer Lungenarterie. Die Nebenwirkungen waren bei älteren Patienten häufiger als bei Sportlern in Fitness-Studios.

Die Trainingsmethode kann für ältere Personen, die unter Muskelabbau und Erkrankungen des Herz-Kreislaufsystems leiden, dennoch eine Möglichkeit sein, Muskeln aufzubauen. Ostermann: „Für diese Gruppe ist das Training ursprünglich entwickelt worden. Bei älteren Menschen ist eine hohe Blutdruckbelastung oft nicht mehr möglich – schwere Gewichte können nicht verwendet werden.“

Normales Krafttraining wird durch das BFR-Training nicht ersetzt, da die Koordination verschiedener Muskelpartien sowie Hilfsmuskeln kaum beansprucht werden. Zudem können nicht alle Muskelgruppen aufgrund anatomischer Gegebenheiten abgebunden werden. Der Sportmediziner empfiehlt, sich mit einem Arzt abzustimmen bevor man mit Okklusionstraining beginnt.

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