Bald droht großer Ärztemangel

Bald droht großer Ärztemangel
2030 könnte Österreich 7400 Ärzte wegen Abwanderung und Überalterung zu wenig haben. Die Politik tut aber nicht genug, um das zu verhindern, sagt die Ärztekammer.

Das bestätigt die Befürchtungen", sagt Artur Wechselberger, der Chef der Ärztekammer. Im Auftrag der Kammer und von Wissenschafts- und Gesundheitsministerium wurde erhoben, wie sich Ärzteangebot und -bedarf entwickeln werden – das gestern präsentierte Ergebnis ist alarmierend. Es wurden zwei Varianten berechnet: eine mit niedrigem Ärzte-Pensionsantrittsalter und guter Versorgung durch Wahlärzte; eine mit umgekehrten Vorzeichen. Beide Modelle zeigen spätestens ab 2025 Engpässe.

Bei der Variante mit frühem Pensionsantritt könnten bis 2030 sogar 7400 Ärzte fehlen (Grafik) . Derzeit gibt es in Österreich 40400 Mediziner. Für Wechselberger bestätigt die Studie, was längst zu beobachten war: "Die Attraktivität des Berufes hat abgenommen. Wo es früher Wartelisten für Turnusplätze gab, gibt es heute Prämien. Ein Kassenvertrag muss oft mehrmals ausgeschrieben werden, bis er vergeben werden kann." Derzeit hat Österreich die höchste Quote an Medizin-Absolventen pro Kopf in Europa. Die Abwerbung heimischer Ärzte nach Deutschland werde aber immer aggressiver, sagt Wechselberger. Und: "75 Prozent der niedergelassenen Ärzte gehen innerhalb der nächsten 15 Jahre in Pension." Bereits jetzt mangelt es an Gynäkologen, Kinderpsychologen, HNO-Ärzten und Urologen. Das wohl größte Problem hat die Studie gar nicht erhoben: Vor allem im ländlichen Raum droht eine Unterversorgung.

Pläne


Gesundheitsminister Alois Stöger (SPÖ) hat bei der Präsentation der Studie Gegenmaßnahmen versprochen. Die Ausbildung soll attraktiver werden, vor allem für Allgemeinmediziner. Er will Lehrpraxen forcieren: Jungärzte sollen sehen, wie niedergelassene Ärzte arbeiten und wirtschaften – und so dazu ermutigt werden, es selbst zu probieren. Bei Engpässen will er gegensteuern, indem die Anforderungen "angepasst" werden – im Klartext heißt das, die Ausbildung soll punktuell leichter werden. Stöger sieht darin aber keinen Qualitätsverlust. So werde flächendeckende Versorgung gewährleistet. Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle sieht in der Studie vor allem Munition für die kommenden Verhandlungen mit der EU.

Die Ausnahmeregelung, dank der Österreich 75 Prozent der Medizin-Studienplätze für heimische Studenten reservieren darf, läuft im November aus. Ohne diese Quote wird der Engpass noch größer: Dann könnten 2030 bis zu 10.000 Ärzte fehlen.

Mehr Studienplätze sind für Töchterle keine Lösung, solange das Problem der Abwerbung nicht gelöst werde: "Das ist, wie wenn ich in ein Fass mit Löchern Wasser gösse." Wechselberger verlangt unter anderem (unten) ein modernes Personalmanagement und klare Karriereprofile, um Jungärzten Perspektiven jenseits der Lockrufe aus dem Ausland zu bieten. Auf die Frage, ob die Politik genug tue, um zukünftige Engpässe zu verhindern, sagt er jedenfalls: "Nein."

Kommentare