Babys mit drei biologischen Eltern: Was dieser medizinische Erfolg bedeutet

Unter dem Mikroskop: Die Kern-DNA einer befruchteten Eizelle wird per Nadel in eine Spendereizelle übertragen.
Mit dem Verfahren konnte in Großbritannien erstmals eine seltene und unheilbare Erberkrankung bei acht Kindern verhindert werden. In Österreich ist die Behandlung nicht erlaubt. Birgt sie Risiken?

"Nach Jahren der Unsicherheit hat uns diese Behandlung Hoffnung gegeben – und uns unser Baby geschenkt." Die Aussage einer britischen Mutter geht derzeit medial um die Welt. Der Grund: Ihr Kind wurde auf besondere Art gezeugt. Biologisch gesehen besitzt es drei Elternteile, zwei Mütter und einen Vater.

Im Zuge einer speziellen Variante der künstlichen Befruchtung wurde das genetische Material von einer Samenzelle mit dem von zwei Eizellen – der faktischen Mutter und einer Eizellspenderin – zusammengeführt.

Seltene mitochondriale Erkrankungen

Die Mutter ist Trägerin von krankhaften Mutationen in ihrer Mitochondrien-DNA, den Energielieferanten menschlicher Zellen. Eine entsprechende Veranlagung wird von der Mutter an das Kind weitergegeben. Rund eines von 5.000 Babys weltweit wird mit einer mitochondrialen Erkrankung geboren. Die Symptome sind vielfältig und können nur einzelne oder fast alle Zellen und Organe betreffen. In schwerwiegenden Fällen versterben die Kinder wenige Tage nach der Geburt. Auch im Erwachsenenalter können mitunter lebensbedrohliche Komplikationen auftreten.

"Mitochondriale Erkrankungen sind Krankheiten, bei denen den Organen die Energie ausgeht, und es gibt keine Heilung", erklärt Spezialist Doug Turnbull von der Universität Newcastle. Dort wurde vor über zehn Jahren ein Verfahren entwickelt, das die Weitergabe der krankhaften DNA verhindern soll. Nun kam es erstmals bei knapp zwei Dutzend Paaren zur Anwendung.

Elterlicher Zellkern wird übertragen

Die Mitochondrien-Ersatztherapie basiert auf dem sogenannten pronuklearen Transfer. Konkret werden einer Patientin mit mutierter Mitochondrien-DNA sowie einer gesunden Spenderin Eizellen entnommen. Diese werden mit Samenzellen des Partners der Patientin befruchtet. Nach acht Stunden kommt das Verfahren zum Einsatz: Der Eizelle der Patientin wird die nukleäre DNA entnommen und in die befruchtete Spendereizelle übertragen. Deren nukleäre DNA wird zuvor entfernt.

Die nukleäre DNA ist in Form von Chromosomen organisierte Erbinformation im Zellkern. Sie ist wie ein Bauplan für den Körper und bestimmt zum Beispiel, welche Augenfarbe ein Mensch hat oder wie groß er wird. Die für die Mitochondrien bestimmende DNA befindet sich außerhalb des Zellkerns, im Zytoplasma.

"Großes Privileg, Technik durchführen zu dürfen"

Nach dem Eingriff lässt man der Entwicklung des Embryos ihren Lauf. In Tests wird er laufend untersucht und nach einer gewissen Zeit in die Gebärmutterhöhle der Patientin übertragen. Bei erfolgreichem Verlauf kommt eine Schwangerschaft zustande. 

In den vergangenen zwei Jahren kamen auf diese Weise acht Babys – vier Mädchen und vier Buben, darunter Zwillinge – auf die Welt. Eine weitere Patientin ist aktuell schwanger. Insgesamt wurde die Therapie 22 Frauen angeboten. Sie wiesen alle ein hohes Risiko für die Weitergabe der Erbkrankheit auf.

"Es ist großes Privileg, die Technik durchführen zu dürfen und zu beobachten, wie sich die Embryonen erholen und weiterentwickeln, als wäre die Technik nie angewendet worden. Und schließlich zu erfahren, dass die Frauen schwanger wurden und gesunde Babys zur Welt gebracht haben", sagt Embryologin Louise Hyslop vom Newcastle Fertiliy Center, wo die Therapien stattfanden.

Grafik zur Mitochondrien-Ersatztherapie

Grafik zur Mitochondrien-Ersatztherapie

Kinder sind grundsätzlich gesund

Aktuell sind die Kinder zwischen wenigen Monaten und über zwei Jahre alt. Sie seien grundsätzlich gesund, ihre Entwicklung weitgehend normal, heißt im The New England Journal of Medicine. In genetischen Tests seien mitochondriale DNA-Mutationen bei fünf Babys nicht auffindbar gewesen. Bei drei Kindern wurden sie nur in minimalem und wohl nicht krankheitsauslösendem Ausmaß detektiert.

Ein Kind zeigte hohe Blutfettwerte und Herzrhythmusstörungen, die behandelt werden konnten. Ein anderes litt kurzzeitig unter epileptischen Anfällen. Es wird nicht angenommen, dass dies mit beeinträchtigten Mitochondrien in Zusammenhang steht. Ob die künstliche Befruchtung an sich oder die spezifische Methode eine Rolle spielen, ist unklar. 

"Um neue medizinische Verfahren wissenschaftlich und ethisch diskutieren zu können, müssen wir biologische Fakten beurteilen", sagt Humangenetiker Markus Hengstschläger im KURIER-Gespräch. "In diesem speziellen Fall ist eine der wichtigsten Fragen: Wie gut funktioniert die Methode und sind die Kinder gesund?" Die aktuellen Befunde seien in dieser Hinsicht zu bewerten. "Und sie müssen ab sofort in die Beurteilung des Ansatzes einbezogen werden."

Offene ethische Fragen

Trotz überzeugender biologischer Befunde bleiben für Hengstschläger, der das Institut für Medizinische Genetik der MedUni Wien leitet und Mitglied der Bioethikkommission ist, ethische Fragen offen. "Wenn wir über Gentherapien sprechen, unterscheiden wir zwischen somatischen Therapien, bei denen Gene in bestimmte Körperzellen verändert werden, um Krankheiten zu behandeln, und Keimbahntherapien, die Auswirkungen auf die nächste Generation haben."

Die Mitochondrien-Ersatztherapie sei gewissermaßen ein Sonderfall: "Hier werden die Zellkern-DNA und die rund 22.000 Gene, die darin kodiert sind, nicht verändert. Betroffen sind nur jene wenigen mitochondrialen Gene, die etwa den Energiestoffwechsel der Zelle beeinflussen. Allerdings bleibt die Kern-DNA unberührt – ein ethisch vielleicht spezieller Punkt." Daraus leite sich die grundlegende Frage ab, "was den Menschen zum Menschen macht – und inwieweit man mit dieser Methode in die Gesamtheit des Individuums eingreift". Insofern plädiert Hengstschläger dafür, "zu diskutieren, ob man von Babys mit drei Eltern sprechen sollte – oder von zwei Eltern und einer Mitochondrienspenderin".

In Großbritannien ist die Mitochondrien-Ersatztherapie seit 2015 rechtlich erlaubt. In vielen anderen Ländern, darunter Österreich, ist ein derartiges Vorgehen nicht legal. Zwar ist die Eizellspende seit 2015 unter bestimmten Voraussetzungen hierzulande möglich. Ein Vorgehen wie in Großbritannien ist dennoch nicht möglich. Hengstschläger rechnet in naher Zukunft nicht mit Änderungen rechtlicher Natur.

In der britischen Studie wurde 39 weiteren Müttern mit weniger ausgeprägt mutierter Mitochondrien-DNA eine Präimplantationsdiagnostik angeboten: Mittels künstlicher Befruchtung aus väterlichem Samen und mütterlicher Eizelle entstandene Embryonen wurden untersucht und nur jene Embryonen implantiert, in denen der Anteil mutierter Mitochondrien niedrig war. 18 Kinder kamen so zur Welt. 

Nicht für alle liegen Daten zu potenziell defekten Mitochondrien vor. Bei jenen Kindern, wo es der Fall ist, war nur ein geringer Teil der Mitochondrien mutiert. Eine Präimplantationsdiagnostik durchzuführen ist hierzulande möglich, aber streng geregelt. "Solche die mitochondriale DNA betreffende Ansätze sind in Österreich nicht durchgeführt worden", sagt Hengstschläger.

Zukunft wird langfristigen Erfolg zeigen

Wie gut die Mitochondrien-Ersatztherapie wirklich hilft und ob die Kinder frei von weiteren Einschränkungen bleiben, wird die Zukunft zeigen. "Es ist ein großer Durchbruch für diese Familien", zeigt sich Experte Turnbull von den Ergebnissen überzeugt. "Bisher hatten sie diese Möglichkeit einfach nicht."

Die eingangs zitierte Mutter könnte jedenfalls kaum glücklicher sein: "Wenn wir unser Kind jetzt anschauen, voller Leben und Möglichkeiten, sind wir überwältigt von Dankbarkeit."

Kommentare