Als Wien evangelisch war

16. Jahrhundert: Evangelische Gottesdienste im Niederösterreichischen Landhaus
Jetzt zu sehen im Wien Museum: Vor 500 Jahren reformierten die Lutheraner auch katholische Hochburgen.
Von Uwe Mauch

Wien, im Spätherbst 1517: Die Berichte über den Theologieprofessor Martin Luther und seine 95 Thesen gegen die Abzocker-Methoden der mächtigen Kirchenfürsten verbreiten sich auch in der katholisch geprägten Habsburger-Metropole superschnell.

Facebook sowie Twitter sind vor 500 Jahren noch nicht erfunden. Dennoch ist Luther in aller Munde. Dank der epochalen Erfindung von Johannes Gutenberg können auch in Wien zigtausende Flugblätter gedruckt werden. Sie sind für die Protest-PR wichtiger als Luthers Thesen in lateinischer Sprache. Heute sind übrigens nur mehr drei solcher "Thesen-Papiere" erhalten. Eines ist in der Ausstellung Brennen für den Glauben. Wien nach Luther im Wien Museum zu sehen.

Aufruhr in Wien

"Das einzigartige historische Dokument aus dem Haus-, Hof- und Staatsarchiv des Österreichischen Staatsarchivs hätte man im Jubiläumsjahr 2017 gerne auch in anderen deutschen Museen gezeigt", freut sich einer der drei Kuratoren, der Historiker Karl Vocelka, bei einem Rundgang mit dem KURIER.

Als Wien evangelisch war

Schnörkellos wie protestantische Kirchen, kompakt und ohne digitale Hilfsmittel haben Vocelka und Kollegen die Ausstellung im Foyer des Museums eingerichtet. Dort erzählt Vocelka die selbst hierzulande wenig bekannte Story: "Martin Luthers Lehre fällt in Wien auf fruchtbaren Boden." Zuerst laufen die Adeligen zu den Evangelischen über, bald auch die unzufriedenen Bürger, die den Ablasshandel des römischen Papstes als billige Geschäftemacherei durchschauen.

Katholische Pfarrer müssen bald zur Kenntnis nehmen, dass ihnen die Gläubigen in Scharen davonlaufen. Gleichzeitig ziehen die ersten Gottesdienste der Protestanten, die Kaiser Maximilian II. im "Niederösterreichischen Landhaus" und in den Wiener Vororten erlaubt, reihenweise Überläufer an.

Luther, der schon auf der Marketingorgel spielt, mobilisiert die Massen. Der Historiker Karl Vocelka schätzt: "Um 1570 gibt es in Wien gut 70 Prozent Protestanten." Nur das Kaiserhaus, eine zarte Oberschicht und die Universität bleiben katholisch.

Ein weiteres Highlight der Ausstellung ist das handschriftliche "Augsburger Bekenntnis", in dem Luther und Philipp Melanchthon für den Reichstag in Augsburg 1530 ihre Religion darlegen. Walter Öhlinger vom Wien Museum weiß: "Es wird dem Kaiser vorgelegt und kommt dann zu den Akten."

Als Wien evangelisch war
Ausstellung Brennen für den Glauben

Auch der "Augsburger Religionsfriede" aus dem Jahr 1555 ist im Original einzusehen. Laut Vertrag darf jeder Landesfürst für sein Land zwischen katholisch und evangelisch wählen. In Wien entscheiden sich die Habsburger gegen Luther, das protestantische Treiben können sie mit ihrem Machtwort allerdings nicht stoppen.

Kriegerische Zeiten

Immer, wenn das Kaiserhaus drastische Maßnahmen ankündigt, drohen die widerspenstigen Adelsfamilien, ihre finanzielle Unterstützung im Abwehrkampf gegen die Osmanen einzustellen. Ein unglaublich wertvolles Pfand in kriegerischen Zeiten.

Als Wien evangelisch war
Ausstellung Brennen für den Glauben

Der Rest ist Geschichte: Die Katholische Liga besiegt 1620 in der Schlacht am Weißen Berg die aufständischen Stände. Der evangelische Kirchenhistoriker Rudolf Leeb sagt dazu im Einklang mit seinen katholischen Kollegen, dass die Habsburger die Gegenreformation besonders restriktiv betreiben: "An die 200.000 Gläubige, darunter viele gut Ausgebildete werden ausgewiesen oder fliehen von sich aus in protestantisch geprägte Gebiete."

Heute sind gerade einmal drei Prozent der Österreicher evangelisch. Ihr Bischof Michael Bünker will die Kirche im Dorf lassen: "Wir wären schon froh, wenn am Ende des Jubiläumsjahres jeder zweite Österreicher einmal von uns gehört hat."

Die Ausstellung

Als Wien evangelisch war

Die Ausstellung „Brennen für den Glauben“ mit etlichen Unikaten wie dem handschriftlichen Dokument zum Augsburger Religionsfrieden ist im Wien Museum bis zum 14. Mai zu sehen. Service für Schulklassen: Der Schauspieler, Fremdenführer und Kulturvermittler Philipp Reichel wird Schulklassen die Reformation näher bringen.Der umstrittene Umbau des Museums ist übrigens für 2018 geplant. Alle Infos:www.wienmuseum.at

Benefizkonzert

Als Wien evangelisch war
Der evangelische Bischof Michael Bünker spielt in seiner Freizeit leidenschaftlich Schlagzeug in der Band "Kreuzweh". Wien, 13.02.2017

Am kommenden Samstag lässt Bischof Michael Bünker wieder einmal sein Talent als Schlagzeuger aufblitzen. Gemeinsam mit seiner Band „Kreuzweh“ wird er es im Albert-Schweitzer-Haus in Wien 9 ab 20 Uhr so richtig tuschen lassen. „Räudiger Blues, Rock vom Feinsten“, verspricht Bünker: „Like A Rolling Stone spielen wir in der Version der Stones.“ Der Reinerlös der Veranstaltung ergeht an die Stadtdiakonie.

Literaturtipp

Martina Schomaker-Engemann (Hrsg): So evangelisch ist Wien. Die 21 Wiener Pfarrgemeinden der Evangelischen Kirche A.B. im Porträt. Falter-Verlag, 208 Seiten, 19,90 Euro.

Fest am Rathausplatz

Als Höhepunkt der Feiern kündigt Bischof Bünker für den Samstag, 30. September, „ein großes Fest auf dem Wiener Rathausplatz“ an.

Veranstaltungskalender

Das Programmheft kann kostenlos per Mail unter 2017@evang.at angefordert werden.

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