April, April!: Was hinter dem Phänomen steckt

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Wer heute alles glaubt, ist selbst schuld. Im Idealfall ist der erste April ein guter Tag zum Lachen, sagt ein Humorforscher.

Wahr oder nicht wahr, beziehungsweise: echt jetzt? Das ist eine Frage, die sich Redakteure in Zeiten von Fake News mehr denn je stellen müssen. Mitunter reicht ja die Lektüre von Donald Trumps Twitter-Account, um den Eindruck zu bekommen, der Aprilscherz hätte 365 Tage im Jahr Saison. "Wir leben nun ständig im Aprilscherz", sagt etwa der Bayreuther Soziologe Georg Kamphausen in einem Interview mit der Deutschen Presseagentur. "Früher habe man den Aprilscherz mit Naivität und Dummheit verbunden, heute geht es eher darum, jemanden, der sich für aufgeklärt hält, einem Test zu unterziehen." Umso mehr heißt es für Journalisten in den Tagen vor Aprilstart auf der Hut zu sein. Achtung: Check! Recheck! Double check!

Scharfer Schwede?

So flatterte etwa gestern, Freitag, die Pressemeldung eines schwedischen Möbelhauses in die eMail-Postfächer der schreibenden Zunft. Titel: "Ikea startet mit 1. April Food Pop-up-Stores".Aus dem bekannten Würstelstand auf dem Wiener Schwarzenbergplatz ,Scharfer René’ werde nun ein ,Scharfer Schwede’".Statt Würsteln gebe es ab sofort Schwedenfutter wie etwa "Veggieballs". Ups, da hat’s doch was. Und tatsächlich: Auf Nachfrage der KURIER-Lebensart-Redaktion gestand die Pressesprecherin, dass es sich um einen Aprilscherz handle. Die Lust an diesem jahreszeitbedingten Humor-Fach ist von zeitloser Schönheit. Eine seiner Zutaten heißt vermutlich Schadenfreude. Aus dem Online-Lexikon der Psychologie: "Schadenfreude, nicht-prosoziale Emotion: am Schaden oder Leid anderer Personen Freude haben; Erscheinungsform der Aggression." Womit sich die Frage stellt: Können Aprilscherze Sünde sein?

Die Lizenz zum Streich

Univ.-Prof. Willibald Ruch, Persönlichkeitspsychologe und Humorforscher an der Universität Zürich relativiert: "Schadenfreude ist in diesem Kontext ein schwieriger Begriff. Denn wo konkret ist der Schaden?" Er betrachtet das Phänomen viel entspannter: "Ich denke, es ist ein Spiel. Mit Idee, Fantasie und Komik. Im Idealfall können alle gemeinsam darüber lachen." Historisch verortet er den Aprilscherz in jener Zeit, als es im Lichte strenger Regeln und unerbittlicher Obrigkeit einen Tag im Jahr gab, an dem alles erlaubt war: "Man durfte alles sagen, ohne bestraft zu werden." Archetypisch dafür sei der Hofnarr, der dem König stets die "Wahrheit" sagen durfte, ohne ernste Konsequenzen zu fürchten. Der erste April ist so ein Tag, er wurde zum Kulturgut. "Ein Tag also, an dem man anderen Streiche spielen darf, die man sonst niemals machen würde."

Freilich existierten hier Nuancen, so Ruch: "Es gibt komplexe, fantasievolle und platte Scherze. Hier, in der Schweiz, ist das durchaus eine Form der Kultur, die vor allem von Tageszeitungen gepflegt wird. Das wird fast zum Wettkampf um maximale Originalität." Wo doch nicht alles, was lustig scheint, tatsächlich zum Lachen ist.

Spaghettiernte auf BBC

So richtig gute Aprilscherze sind eher rar, nur wenige gehen in die Aprilscherz-Geschichte ein. In Sachen Originalität hat vermutlich die englische BBC ungeschlagen die Nase vorn – und zwar mit einem Aprilscherz aus dem Jahr 1957, der als "Geschichte mit dem Spaghettibaum" noch heute gerne weitergereicht wird.

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In einer " Mockumentary" wurden Schweizer Bauern bei der Spaghetti-Ernte gezeigt. Dabei handelt es sich um einen fiktionalen Doku-Film, der einen echten Dokumentarfilm oder gleich ein ganzes Genre parodiert. Der Begriff kommt vom Kunstwort "to mock" für: "verspotten". Die Filmbilder untermalte der Kommentator mit einer Erzählung von einer außerordentlich guten Spaghetti-Ernte im Tessin, aufgrund milder Wintertage und des Verschwindens des Spaghetti-Rüsselkäfers. Daraufhin liefen die Telefone der BBC heiß, die zentrale Frage der Zuseher: "Wie kann ich selbst Pasta anbauen?" Ebenso von der BBC, aus dem Jahr 2008: Bilder fliegender Pinguine – vor lauter Sehnsucht nach Wärme sei eine neue Art von Vögeln entstanden. Das computeranimierte Video wurde millionenfach angesehen.

Gibt es absolute No-Gos beim Aprilscherz? Humorforscher Ruch dazu: "Es wird wohl nicht erlaubt sein, am ersten April auf einem Flughafen aufzutauchen und zu sagen, in diesem Koffer sei eine Bombe versteckt. Oder aber mit Strumpfmaske eine Bank zu überfallen, um kurz danach April! April! zu rufen. Alles hat seine Grenzen, der Aprilscherz auch".

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