Alzheimer: Ruf nach Aktionsplan

Alzheimer: Ruf nach Aktionsplan
Österreich hinkt bei den Strategien gegen Demenzkrankheiten nach. Die frühe Erkennung muss verbessert werden.

Demenzerkrankungen sind die Herausforderung des 21. Jahrhunderts. Aufgrund des steigenden Lebensalters werden die Erkrankungen 2050 knapp 200.000 Österreicher betreffen. Derzeit sind es bereits 110.000, mehr als 65 Prozent davon entfallen auf Alzheimer. Für die Zukunft sind deshalb neue Strategien gefordert – im zwischenmenschlichen wie auch im politischen Bereich, betonen Experten. Hier hat Österreich im internationalen Vergleich Nachholbedarf.

Dass eine nationale Strategie trotz vieler regionaler Initiativen fehlt, gesteht Sozialminister Rudolf Hundstorfer ein. Laut Schätzungen müssten die stationären sowie mobilen Angebote für Demenzkranke um jeweils 25 Prozent ausgebaut werden. Das betonte er kürzlich bei der europäischen Alzheimer-Konferenz in Vösendorf, NÖ.

Andere Länder sind offenbar schon weiter. In Großbritannien etwa brachte eine nationale Strategie eine Veränderung. "Wir diagnostizieren Alzheimer nun früher. Dazu mussten wir aber auch wissen, was wir den Betroffenen sagen", berichtete der Psychiater Alistair Burns. Dadurch erhöhte sich auch die Zahl der Interessierten. "Mit der frühen Diagnose bringen wir Demenz und Alzheimer von der Gruppe der Hochbetagten in jene des mittleren Lebensalters." In Italien stockte man in den vergangenen zehn Jahren die wohnortnahen Betreuungszentren von 60 auf 500 auf. "Nationale Strategien bilden einen Rahmen, um alle Anstrengungen  zusammenzufassen", betonte Teresa di Fiandra vom italienischen Gesundheitsrat.

Fehlende Betreuungseinrichtungen sind auch in Österreich ein Thema, weiß Antonia Croy, Präsidentin der Selbsthilfeorganisation "Alzheimer Austria". "Im städtischen Bereich, etwa in Wien, gibt es bereits gute Projekte – von Gedächtnistraining bis zur Tagesbetreuung. Solche Entlastungsangebote fehlen im ländlichen Raum, wo Demenz oft noch stärker stigmatisiert wird."

Falsches Bild

Antonia Croy stört besonders das öffentliche Alzheimer-Bild: "Hilflos, aggressiv, desorientiert, ohne Erinnerung sind die häufigsten Assoziationen." Im aktuellen Alzheimer-Report beklagten 75 Prozent der befragten 2500 Erkrankten dieses negative Bild. "Die öffentliche Wahrnehmung ist vom Endstadium geprägt, das nicht der Realität entspricht. Demenz hat viele Gesichter. Die Krankheit entwickelt sich über zehn bis 20 Jahre – da werden viele Phasen durchlaufen."

Verbessert müsste die Früherkennung werden. "Leider gehört es auch zum Krankheitsbild, die Symptome zu verleugnen oder zu überspielen. Aber je früher sie erkannt wird, desto größer sind die Möglichkeiten." "In der Frühphase könne etwa mit Psychotherapie gut gegengesteuert werden. Eine Untersuchung ab 65 Jahren im Rahmen der Vorsorgeuntersuchung könnte hier helfen. "Auch dem Hausarzt kommt eine Schlüsselrolle in der Früherkennung zu."

Pflege: "Atmosphäre der Wertschätzung schaffen"

Wer glaubt, Demenzkranke können mit einfachen und herkömmlichen Mitteln betreut werden, liegt falsch. Es ist ein umfangreicher Maßnahmenmix notwendig, um den Menschen ihre Angst und Unruhe zu nehmen und Vertrauen zu vermitteln.

Das SeneCura Sozialzentrum in Grafenwörth (NÖ) setzt auf ein spezielles Raum- und Pflegekonzept, das von einem wissenschaftlichen Beirat begleitet wird. 2010 wurde das Zentrum als Erstes in Österreich für sein Demenz-Betreuungskonzept ausgezeichnet.

Derzeit leben 30 Bewohner in unterschiedlichen Demenzstadien in Kleingruppen in der ebenerdig angelegten Station. "Wichtig ist uns eine Atmosphäre der Wertschätzung mit Abwechslung im Alltag. Auch die jeweilige Biografie wird einbezogen", betont Direktor Werner Bernreiter.

Dem gesteigerten Bewegungsdrang vieler Demenzkranker wird mit einem Endlos-Garten Rechnung getragen. Die Wege laufen alle in der Mitte zusammen und sind mit Handläufen gesichert. Dazu regen u. a. Düfte und Klänge alle Sinne an. Um Vertrautheit zu vermitteln, wurden sogar alte Parkbänke aufgestellt. Das war übrigens für regionale Sponsoren anfangs irritierend. Sie hatten an nagelneue Bänke gedacht. Aber die alten Bewohner hätten sich auf diesen erst recht fremd gefühlt.

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