Allergiker müssen sich auf längere Saison einstellen

Die Birkenblüten-Saison steht unmittelbar bevor - um zwei Wochen früher als üblich.
Beschwerden dürften sich heuer um zwei bis drei Wochen verlängern.In der Forschung gibt es zudem neue Erkenntnisse.

Raus in die Natur, Sonne tanken, durchatmen: So schön das klingen mag – für Pollenallergiker haben die frühlingshaften Temperaturen auch Schattenseiten. Die Blühphasen haben heuer um zwei bis drei Wochen verfrüht begonnen. „Für Allergiker heißt das, sie müssen sich auf eine längere Saison einstellen“, sagt Univ.-Prof. Wolfgang Gstöttner, Leiter der HNO-Erkrankungen an der MedUni Wien.

Während etwa Mitte März 2013 noch Frost und Kälte herrschten, hat heuer der Pollenflug der Frühblüher Erle und Hasel den Höhepunkt in den meisten Lagen schon wieder überschritten. Dafür steht die Birkenblüte jetzt schon direkt bevor. Sie beschert den Menschen Niesanfälle, Atembeschwerden und juckende Augen. Die Experten des Pollenwarndienstes rechnen heuer mit einer größeren Pollenmenge.

Weniger Belastung?

Trotz dieser Erwartung könnten die Belastungen geringer ausfallen. Das klinge auf den ersten Blick paradox, gesteht Katharina Bastl vom Österreichischen Pollenwarndienst (Forschungsgruppe Aerobiologie und Polleninformation, MedUni Wien). Der Hintergrund: „Bisher ging man davon aus, dass Allergiker umso stärker leiden, je mehr Pollen in der Luft sind.“ Doch die neuesten Erkenntnisse aus der Saison 2013 werden die Vorhersagen künftig verändern. Untersuchungen ergaben nämlich, dass die Belastung nicht allein von der Pollenmenge abhängt, sondern dass auch der Verlauf der Saison selbst großen Einfluss hat. Das heißt: „Setzt der Pollenflug schlagartig ein und steigt die Pollenmenge in der Luft immer wieder sprunghaft an, leiden Allergiker mehr. Die Saison wird stärker wahrgenommen.“ Übrigens auch, wenn – wie im Vorjahr – die Gesamtkonzentration geringer war. Steigt die Pollenkonzentration hingegen langsam, scheint sich der Körper besser auf die Belastungen einzustellen.

Individuelle Reizschwellen

Dazu kommen unterschiedliche Reizschwellen. „Wann die Pollenmenge zur Belastung wird, variiert individuell und kann von Region zu Region unterschiedlich sein. Jeder Betroffene reagiert anders.“ Als Beispiel nennt Bastl die Belastungen durch das aggressive Ragweed (Traubenkraut), das seit einigen Jahren von August bis Oktober Beschwerden verursacht. Französische Ragweed-Allergiker berichten schon ab einer Konzentration von 5 Pollen/m³ Luft von juckenden Nasen. Die Österreicher sind ab 9,5 Pollen/m³ gereizt. Die Serben scheinen hingegen wesentlich mehr auszuhalten. Sie reagieren erst ab 37 Pollen/m³ Luft. Ein Grund für diese Unterschiede könnte die individuelle Anpassungsfähigkeit des Immunsystems sein. Bastl: "Lebt man lange in einer Region mit hoher Konzentration, gewöhnt sich der Körper an die konstante Belastung." Das ist derzeit aber noch eine Hypthese, weitere Forschungen sind nötig.

Beschwerden ernst nehmen

Bei der Einschätzung des persönlichen Risikos unterstützen die kostenlosen Angebote des Pollenwarndienstes, betont HNO-Experte Gstöttner. „Damit kann man als Initialzündung gut gegensteuern.“ Zudem werden Diagnose und Therapie immer besser. „Allergien, die ernst genommen und früh behandelt werden, verhindern schwere Krankheitsbilder bis hin zu Asthma.“ Prim. Fritz Horak, Allergiezentrum Wien-West, ergänzt: „Wir können zur Diagnose spezifische Eiweiße aus dem Blut herausfiltern und damit den Auslöser genauer bestimmen“. Die Impfstoffe für die systemische Immuntherapie (SIT), um das Immunsystem an das Allergen zu gewöhnen, werden ebenso immer besser und wirken punktgenauer. „Das heißt, es sind weniger Impftermine nötig.“

Seit mehr als 40 Jahren gibt es den Pollenwarndienst, der via Pollenfallen und gleichzeitig mit der Auswertung von Pollen-Tagebüchern der Betroffenen die jeweils aktuelle Situation immer kleinräumiger darstellt und analysiert. Begonnen wurde mit einem Telefon-Dienst, heute arbeitet man längst virtutell mit Werkzeugen wie Belastungslandkarten und Apps. Dazu dient auch die neue Version einer Handy-Applikation. Katharina Bastl, Expertin des Service, betonte, man wolle durch frühzeitige Warnungen dazu beitragen, dass Allergiker nicht in die größten Belastungen "hinein laufen".

Mit der App 3.0 wurden auch die persönlichen Einstellungen der bestehenden Handy-Applikation verbessert. Bastl: "Ab einem bestimmten Belastungslevel kann damit das individuelle Risiko für eine bestimmte Region bestimmt werden." Mit einer automatischen Benachrichtigung für den jeweiligen Standort muss man zudem gar nicht mehr aktiv nachschauen.

Diskussion über Allergien am 19. März

Thema Allergien sind Thema des nächsten Gesundheitstalks am Mittwoch, 19.3., 18 Uhr. KURIER- Ressortleiterin Gabriele Kuhn diskutiert mit Allergieforscher Univ.-Prof. Rudolf Valenta (MedUni Wien), Prim. Univ.-Prof. Wolfgang Pohl (Abteilung für Atmungs- und Lungenerkrankungen, Krankenhaus Hietzing) und dem Betroffenen Otto Spranger (Sprecher Österr. Lungenunion).

Allergien werden häufig als „ein bisschen Schnupfen, der eh wieder verschwindet“ abgetan. Otto Spranger warnt vor derartigen Verharmlosungen. „Man sollte auch leichte Beschwerden ernst nehmen. Denn sonst kann sich eine chronische Erkrankung wie Asthma entwickeln.“ Ein Bezug zur Allergie werde häufig zu spät hergestellt. „Bis die richtige Allergiediagnose vorliegt, vergehen im Schnitt zwischen sechs und neun Jahren. Und immerhin 80 Prozent der Asthmatiker leiden an allergischem Asthma.“

Veranstaltungsort Van-Swieten-Saal der MedUni Wien, Van-Swieten-Gasse 1a (Ecke Währinger Straße), 1090 Wien. Veranstalter: KURIER, MedUni Wien und Novartis. Der Eintritt ist frei.

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