Was die Netzhaut über die Gesundheit aussagt

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Moderne Untersuchungsmethoden ermöglichen bei Diabetes-Patienten das frühe Erkennen von Gefäßschäden im Auge.

40.000 Bilder werden mit der hochpräzisen optischen Kohärenztomografie (OCT) in 1,2 Sekunden von der Netzhaut aufgenommen. Mit automatisierten Algorithmen, die aus den Daten von Millionen Augenpatienten weltweit erstellt worden sind, entsteht innerhalb von zehn Minuten ein genaues Risikoprofil des Untersuchten. Jede Abweichung zum gesunden Auge wird registriert. Ein derartiges Gerät wird ab Jänner in der Diabetes-Ambulanz im Wiener AKH im Einsatz sein, als drittes weltweit.

Netzhaut-Schäden früh erkennen

"Damit können wir rasch feststellen, ob der Patient bereits Schäden auf der Netzhaut aufweist", sagt Diabetes-Experte Florian Kiefer, MedUni Wien. Schäden an der Netzhaut (Retinopathie) betreffen bis zu 90 Prozent der Diabetiker im Lauf ihrer Erkrankung. Um Spätfolgen rechtzeitig behandeln zu können, wird Diabetikern jährlich eine Netzhautuntersuchung beim niedergelassenen Arzt empfohlen. "Der Blick ins Auge war uns Internisten mangels diagnostischer Erfahrung und Geräteausstattung bisher nicht vor Ort möglich", betont Kiefer. Bei vielen Patienten führen Diabetes und Bluthochdruck zu Schäden an der Netzhaut. "Mit der neuen Technologie können wir unsere Patienten maßgeschneiderte Therapiekonzepte ermöglichen und besser sie besser betreuen."

Gesamtbild

Darüber hinaus liefert der digitale Blick ins Auge ein wertvolles Bild des Gesamtzustandes des Menschen. Netzhautschäden geben etwa unter anderem Hinweise auf Nierenschäden, zunehmend auch in der Diagnose neurologischer Krankheiten wie Multipler Sklerose. "Das macht eine frühe Diagnostik und Therapie möglich", erklärt Ursula Schmidt-Erfurth, Leiterin der Uni-Klinik für Augenheilkunde und Optometrie der MedUni Wien. Die Netzhaut mit ihrem speziellen Aufbau bietet sich geradezu dazu an. Kiefer: "Der Zustand ihrer Blutgefäße sagt viel über den Zustand des Körpers aus."

Algorithmen in der Medizin

Die Nutzung von Algorithmen und das Filtern einer riesigen Menge an Informationen – diese neuen Technologien verbindet man derzeit eher nicht mit der Medizin. In den Händen von Ärzten werden sie aber immer wichtiger, um präzise Diagnosen stellen zu können. Das ist auch ein Schwerpunkt beim jährlichen Advanced Retinal Therapy-Kongress "ART 2017", der am Wochenende in Wien stattfindet. "Es wird nicht nur ein Bild erstellt, sondern dieses Bild wird auch komplett analysiert", sagt Augen-Expertin Schmidt-Erfurth. In ihrem Fachgebiet werde dies durchaus Einfluss auf die Arbeit der Mediziner haben. Abgeschafft werden sie damit aber nicht, ist sie überzeugt. "Diese Technologie ist nicht intelligenter, aber sie ist effizienter in der Gesamtdimension." Kiefer ergänzt: "Ein Algorithmus kann Argumente für eine Therapieentscheidung, treffen muss diese aber eine Person, die den Patienten in seiner Gesamtheit einschätzen kann."

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