30 Kilo im Operationssaal abnehmen

Massives Übergewicht geht oft mit Begleiterkrankungen wie Typ-2-Diabetes oder Bluthochdruck einher.
Magenband, Magenbypass: Wann eine Operation der letzte Ausweg ist.

500.000 Menschen mit hochgradigem Übergewicht unterzogen sich im Vorjahr einer Operation zur Gewichtsreduktion – zuletzt etwa "Science Buster" Werner Gruber. Jährlich steigt die Zahl der globalen Eingriffe um rund zehn Prozent. "In Österreich ist sie seit zehn Jahren mit einer Zahl von 2400 annähernd konstant", sagt Adipositaschirurg Univ.-Doz. Karl Miller. Er ist Präsident des 20. Weltkongresses der "International Federation for the Surgery of Obesity (IFSO)" – der weltweiten Spezialisten für Adipositaschirurgie – , der noch bis Samstag in der Wiener Hofburg stattfindet.

KURIER: Warum ist bei Menschen mit starkem Übergewicht eine Operation manchmal der letzte Ausweg?

30 Kilo im Operationssaal abnehmen
Karl Miller, Chirurg
Weil das eine Krankheit ist, für die viele Faktoren verantwortlich sind: Genetische Faktoren, Stoffwechsel, Psyche, Ess- und auch Suchtverhalten – das spielt alles zusammen. Man kann nicht einfach sagen, der oder die isst zu viel. Es gibt praktisch keinen Patienten, der es nicht vorher schon zigmal mit Ernährungsumstellung probiert hätte. Und mehr Bewegung hat zwar sehr tolle gesundheitliche Auswirkungen, die Auswirkungen auf das Gewicht werden aber überschätzt. Bei einem Body-Mass-Index über 40 können Sie mit klassischen Abnehmprogrammen kurzfristig ein wenig bewirken, aber nicht langfristig. Die, die es so dauerhaft schaffen, sind Ausnahmen.

Trotzdem hören viele Betroffene oft nur den ärztlichen Rat: "Essen Sie weniger."

Ja, leider sind viele unserer Patienten immer noch mit dieser Haltung konfrontiert. Aber das funktioniert nicht. Und man begibt sich damit als Arzt auf ein relativ niedriges menschliches und auch wissenschaftliches Niveau. Hier wird einfach ein Vorurteil verbreitet.

Wie erfolgreich sind diese Eingriffe überhaupt?

Es gibt einen kleinen Teil der Patienten, die wieder zunehmen – aber das hängt auch sehr stark von ihrem Verhalten nach dem Eingriff ab. Trotz Operation muss man sein Essverhalten umstellen, und es sind lebenslang medizinische Kontrollen notwendig – sowie die ausreichende Zufuhr von Vitaminen und Mineralstoffen. Gerade beim Magenbypass (siehe Grafik) verlieren die meisten Patienten rund die Hälfte ihres Übergewichts. Bei 80 Prozent der Patienten, die vor der Operation einen Typ-2-Diabetes haben, ist dieser auch zehn Jahre danach nicht wieder aufgetreten. Innerhalb weniger Tage nach der OP produziert der Körper wieder spezielle Proteine, die dazu führen, dass das körpereigene Insulin wirkt und die Zellen nicht mehr resistent sind. Aus diesem Grund sollte man aus meiner Sicht überlegen, bei der Auswahl der Patienten noch viel mehr auf Begleiterkrankungen wie Diabetes zu achten.

Dass also zum Beispiel mehr Diabetiker operiert werden?

Derzeit zahlen die meisten Krankenkassen die chirurgischen Eingriffe bei Patienten mit Erkrankungen wie Diabetes oder Bluthochdruck ab einem BMI von 35. Aber es gibt Diabetiker mit 80 kg, die als austherapiert gelten, die mit herkömmlichen Maßnahmen in keinen stabilen Zustand gebracht werden können. Sie haben trotz geringeren Gewichts eine niedrigere Lebenserwartung als Menschen mit starkem Übergewicht, die keine Begleiterkrankung haben. Sie könnten von einer OP ebenfalls profitieren – weltweit werden derzeit Studien durchgeführt. Bei positivem Ausgang könnten die Leitlinien geändert werden. Am erfolgreichsten sind die chirurgischen Eingriffe bei Patienten mit einer Diabetes-Vorstufe: Bei ihnen kann das Auftreten eines Diabetes verhindert werden.

Die Zahl der Spitäler, die solche Eingriffe anbieten, steigt. Besteht nicht die Gefahr, dass bald zu viel operiert wird?

Nein. Diese Patienten sind sehr aufwendig in der Betreuung, sie benötigen interdisziplinäre Behandlung – durch Stoffwechselexperten, Psychologen, Chirurgen, Ernährungsberater. Es verteilen sich die Patienten auf mehr Spitäler – und sie können besser betreut werden.

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