Zypern: Vom Sonnen- zum Rettungsschirm

Zypern: Vom Sonnen- zum Rettungsschirm
Die Regierung auf Zypern übernimmt am 1. Juli den Vorsitz in der EU. Bankrotte Banken belasten die EU-Präsidentschaft.

Ganz Europa blickt gebannt auf Zypern: Einige Banken sind fast pleite. Angeblich will die Regierung nächste Woche – wenige Tage vor Übernahme des EU-Vorsitzes am 1. Juli – Hilfe für die Finanzinstitute bei der Euro-Zone beantragen. Damit wäre Zypern das fünfte Land, das unter den Rettungsschirm flüchtet.

Gleichzeitig will Russland der zypriotischen Regierung zum zweiten Mal binnen weniger Monate unter die Arme greifen. Ein Fünf-Milliarden-Euro-Kredit zu niedrigen Zinsen soll die bankrotten Banken auffangen. Die Wirtschaft und die Banken Zyperns sind eng mit Griechenland verflochten. Kreditinstitute haben in Griechenland Darlehen von 22 Milliarden Euro vergeben, das Geld ist wohl verloren.

Für die Übernahme des EU-Vorsitzes von Dänemark sind das keine günstigen Umstände, auch wenn sich die Regierung sehr bemüht (siehe Interview unten), das EU-Ruder fest in der Hand zu halten und den EU-Partnern auch Kultur zu bieten.

Die Eröffnung findet im antiken Theater von Kourion nahe Limassol statt, sagt Zyperns Botschafter in Österreich, Costas Papademas. Ein Konzert unter freiem Himmel mit fantastischem Blick auf das Meer soll die Schulden vergessen machen.

Ja, was soll die Finanzkrise Zyperns, könnte man mit Blick auf die Größenordnungen der Insel einwenden. Auf Zypern erwirtschaften rund 860.000 Einwohner ein Bruttoinlandsprodukt von knapp 18 Milliarden Euro – allein Siemens macht mehr Umsatz in einem Quartal.

Man kann es aber auch anders sehen: Dass Spekulanten und Finanzmärkte jetzt sogar schon das kleine Zypern im Visier haben und Nobelpreisträger Joseph Stiglitz alle Hilfsprogramme der EU als "Voodoo-Ökonomie" bezeichnet, zeigt, wie akut die europäische Krise bereits ist.

Gefordert ist die Außenpolitik Zyperns. Als Folge des syrischen Bürgerkriegs könnte es einen Ansturm von Flüchtlingen auf die Insel und auf andere Länder der EU geben. Krisenmanagement ist dann gefragt.

Geteilte Insel

Ungelöst ist die Frage der Teilung der Insel seit der türkischen Invasion 1973. Der Norden der Insel ist nur von der Türkei anerkannt. Bedrohlich finden viele griechische Zyprioten die Stationierung von rund 40.000 türkischen Soldaten und die Siedlungspolitik Ankaras. Offen wird in Nikosia auch über das zunehmende Engagement radikaler Islamisten im Norden gesprochen.

Die diplomatischen Beziehungen der Republik Zypern zum riesigen Nachbarn und Erzfeind Türkei sind permanenter Zündstoff. Nikosia blockiert die Beitrittsverhandlungen mit Ankara. Umgekehrt will jetzt die Türkei alle Treffen boykottieren, bei denen "Südzypern den Vorsitz hat", teilte der türkische Außenminister Ahmet Davutoğlu Brüssel mit.

Politiker in Nikosia nehmen das gelassen hin, das türkische Verhalten sei "eine Beleidigung der EU und ihrer Institutionen".

Die Spannungen zwischen Nikosia und Ankara beschäftigen griechische und türkische Zyprioten. Auch wenn sich die Politik längst mit der Teilung abgefunden hat, die Menschen erinnern sich an Zeiten vor der Invasion. "Heute", klagt die türkische Zypriotin Alev Tugberk, "sind wir eine Minderheit in unserer Heimat."

Interview: "Zyprioten fürchten sich vor niemandem"

Zypern: Vom Sonnen- zum Rettungsschirm

Europa-Minister Andreas Mavroyiannis ist Chefplaner von Zyperns EU-Präsidentschaft, die 62 Millionen Euro kostet. "Die Leute sind stolz auf die Präsidentschaft. Das verbessert unser Image und fördert den emotionalen Bezug zu Europa."

KURIER: Wovor hat Zypern größere Angst: Vor der Hellas-Krise oder dem permanenten Streit mit der Türkei?

Andreas Mavroyiannis: Zyprioten fürchten sich vor nichts und niemandem. Die größte Herausforderung sind die Verhandlungen über das EU-Budget 2014–2020. Am Jahresende sollte es beschlossen sein. Ob die Türkei mit der EU und mit uns kooperiert oder nicht, ist ihr Problem. Wenn die Türkei unsere Präsidentschaft vergiften will, dann können sie es machen. In der Präsidentschaft sind wir neutral. Was Griechenland angeht, ist die Krise noch nicht überwunden. Die neue griechische Regierung wird die Reformen weiterführen. Es gibt dazu keine Alternative.

Was ist das Vorsitz-Motto?

Wir haben eine Botschaft: Europa ist wichtig für die Bürger, dafür brauchen wir mehr Solidarität in der EU. Unser Slogan lautet: Gastfreundschaft. Das hat nichts mit Tourismus zu tun. Damit wollen wir signalisieren: Europa ist ein lebenswerter Platz für Menschen, ein Platz für Unternehmer, für Investoren, für Forscher und Wissenschafter.

Gilt Ihre Gastfreundschaft auch den Migranten und Asylwerbern?

Ja, im Rahmen der europäischen Gesetze. Das heißt nicht, dass die europäischen Türen für alle offen stehen. Unsere Aufnahmekapazitäten sind beschränkt. Illegal in die EU zu kommen, ist kriminell. Bis Ende 2012 soll es eine gemeinsame EU-Migrations- und Asylpolitik g eben.

Für stärkere Grenzkontrollen zu Griechenland fordert die Türkei Visafreiheit für die EU. Stimmt das?

Auch wir haben das Problem, dass viele Asylwerber und illegale Einwanderer von der Türkei über Nordzypern zu uns kommen. Ankara knüpft die Umsetzung des Rückübernahmeabkommens für Flüchtlinge, die von der Türkei in die EU kommen, an das Visa-Regime. Das ist für die EU nicht akzeptabel. Es gibt große Vorbehalte gegen eine Visafreiheit in Deutschland, Zypern und Österreich.

 

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