Zwei Städte, (k)ein Vergleich
Mailand ist eine der wettbewerbsfähigsten Städte Europas und auch Top-Exportregion für österreichische Firmen. Wo punktet Mailand – und wo Wien? Ein Lokalaugenschein in der Lombardei.
Wirtschaftsraum
Mailand ist eine Stadt der Weltmarken. Die Arbeitslosenquote liegt deutlich unter, in Wien über dem Landesschnitt. Österreich und Italien haben eine hohe (ungefähr ähnliche) Steuerquote. Wien wächst durch Zuwanderung stärker als andere Metropolen, ist beim Wohlstand aber international zurückgefallen. Mailand ist Design-Welthauptstadt, Wien Sitz internationaler Organisationen, hat aber seine Rolle als Ost-West-Drehscheibe verloren. Der (Messe-)Tourismus ist in beiden Städten stark. Das Arbeitsethos ist nach Meinung von Italo-Österreichern in Mailand höher.
Punkt für Mailand
Italien ist Österreichs zweitwichtigster Wirtschaftspartner hinter Deutschland – nach einem Corona-bedingten Einbruch florieren die Geschäfte wieder. Österreich exportiert u. a. Holz, Stahl, Maschinen nach Italien und importiert Nahrungsmittel sowie Kleidung. Eine Delegation österreichischer Unternehmerinnen unter der Leitung von WKÖ-Vizepräsidentin Martha Schultz reiste (vom KURIER begleitet) nach Mailand, um Marktchancen zu sondieren.
Was Schultz auffiel? "Die positivere Stimmung. In Österreich herrschen viel größere Zukunftsängste, obwohl wir die sind, die am meisten versorgt werden." Sie hat es sich seit Jahren zur Aufgabe gemacht, Frauen zu unterstützen und fordert Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung ab dem ersten Lebensjahr in ganz Österreich.
Wohnen - Punkt für Wien
Mieten und Immobilien sind in Mailand deutlich teurer. Mailänder streben Besitz an. Wien ist Weltmeister im sozialen Wohnbau. 60 Prozent der Wiener leben in einer geförderten oder in einer Gemeindewohnung (was Eigentumsbildung allerdings eher verhindert).
Universitäten - Punkt für Mailand
Zwar hat Wien nun wieder einen Nobelpreisträger, aber bei internationalen Uni-Rankings schneidet Mailand besser ab, Wien unter ferner liefen.
Handwerkskunst - Punkt für Mailand
Mailand schafft es, hochmodernes (Industrie-)Design und alte Handwerkskunst zu vereinen. Viele Möbel- und Modemarken haben hier ihren Sitz. Bei der Mailänder Möbelmesse Salone del Mobile dabei zu sein, ist eine Auszeichnung. Wien zehrt von seinem verblassten Jahrhundertwende-Weltruf („Wiener Werkstätten“, Augarten, Backhausen), entdeckt aber langsam wieder den Wert von Manufakturen und modernem Design. „Made in Italy“ hat aber den größeren Glanz.
Luft - Punkt für Wien
Wien hat deutlich bessere Luft als das eher stickige Mailand. Dafür scheint die Sonne hier mehr – nur leider oft hinter dem Nebel.
Oper - Punkt für Wien
An der Scala werkt mit Dominique Meyer der frühere Wiener Operndirektor. Beide Opernhäuser sind legendär, Wien ist zurzeit innovativer und spielt öfter, das Orchester gilt als besser.
Friedhöfe - Punkt für Mailand
Auch wenn es über den Wiener Zentralfriedhof heißt, er sei nur halb so groß, aber doppelt so lustig wie die Schweiz: Den Tod melodramatisch inszenieren können Mailänder noch besser.
Essen - Unentschieden
Österreich hat großartige regionale Produkte, Italien hat dennoch die Nase vorne. Auch die Vielfalt kleiner Spezialläden fehlt in Wien. Bei Restaurants ist Wien aber interessanter und internationaler. Die Kaffeehäuser sind Weltspitze. Detail am Rande: In Österreich wird pro Kopf mehr Aperol getrunken als in Italien.
Freundlichkeit - Punkt für Mailand
Der Wiener Grant gilt quasi als Weltkulturerbe, doch die Mailänder Freundlichkeit macht das Leben im Alltag leichter. Eine gewisse Arroganz kann man den Mailändern aber nicht absprechen. Dennoch: Punkt für Mailand.
Bälle - Punkt für Wien
Wien ist Welthauptstadt der Bälle. Bemühungen, den Opernball so wie nach New York auch nach Mailand zu bringen, scheiterten bisher.
Eleganz - Punkt für Mailand
Allein vom eleganten Schuhwerk der Herren ist Wien um Lichtjahre entfernt, manche ältere Damen tragen sogar Handschuhe. Auch in der Architektur schlägt sich das nieder. Und keine Wiener Firma hat etwas ähnlich Spektakuläres zu bieten wie die coole Galleria Campari. Die 1860 gegründete Firma arbeitete jahrzehntelang mit Künstlern (unter anderem den Futuristen) zusammen. Mailand ist dennoch manchmal dezenter als Wien. Hier entdeckt man den Wert mancher Dinge oft erst buchstäblich hinter der Fassade.
Museen - Punkt für Wien
Die kaiserliche Pracht der Wiener City samt ihrer Museen ist unerreicht. Spezifisch mailändisch ist, dass Firmen öffentliche Verantwortung übernehmen und als großzügige Mäzene auftreten: So hat zum Beispiel Prada das beeindruckende, riesige Kunstzentrum „Fondazione Prada“ gegründet.
Endstand: 7:6 für Mailand
Kommentare