Milliarden-Schmelze auf dem Sparbuch

Die Zinsen sind nur mit der Lupe sichtbar, dafür hat Österreich eine der höchsten Inflationsraten: Für Sparer ist das ein kostspieliger Mix.
2014 büßten die Sparguthaben 2,68 Milliarden Euro Wert ein - seit 2010 sind es schon 15,56 Milliarden.

Das Ersparte verliert auf dem Bankkonto oder Sparbuch derzeit Kaufkraft – das ist im Bewusstsein der breiten Öffentlichkeit angekommen. Sträflich unterschätzt wird allerdings die Dimension: Das zeigt die jüngste Berechnung des Forschungsinstituts EcoAustria für den KURIER.

Österreichs Privathaushalte haben demnach 218 Milliarden Euro Einlagen (täglich fällig oder gebunden) bei der Bank. Wegen des Zinstiefs haben diese allein im abgelaufenen Jahr 2,68 Milliarden Euro an Kaufkraft eingebüßt.

Wie kommt das zustande? Ganz einfach: Die Sparzinsen sind weiter gesunken. Davon muss noch Kapitalertragssteuer (KESt) bezahlt werden. Und: Österreich hatte im Vorjahr die höchste Inflation des gesamten Euroraums. Der Mini-Zinsertrag wurde von der Teuerung also mehr als aufgefressen.

Weniger Kaufkraft

Experten nennen das "negativer Realzins": Am Jahresende steht dann zwar ein höherer Betrag am Kontoauszug oder im Sparbuch. Der Sparer kann sich aber weniger drum kaufen. Diese fast unmerkliche Enteignung erreicht gewaltige Ausmaße. In den letzten fünf Jahren – seit 2010 – haben die Sparer kumuliert 15,56 Milliarden Euro an Kaufkraft verloren.

Verglichen mit den vorangegangenen drei Jahren, wo die Einbußen jeweils zwischen 3 und 4,8 Milliarden Euro ausmachten, ist der Verlust 2014 etwas geringer ausgefallen, erklärt Eco-Austria-Forscher Ludwig Strohner. Die Inflation (gemessen als Verbraucherpreisindex) sei nämlich stärker zurückgegangen als das Zinsniveau. Die Realzinsen waren somit etwas weniger negativ. "Prinzipiell hat sich das Bild jedoch im Vergleich mit den letzten vier Jahren nicht verändert", so Strohner.

Ausgerechnet das schlimmste Krisenjahr 2009 war das letzte, in dem die Sparer mit einem realen Gewinn (von fast 2,27 Milliarden Euro) ausstiegen. Damals waren die Sparzinsen für länger gebundene Geldbeträge noch höher und die Inflation extrem niedrig (0,5 Prozent).

Während sich die Realzinskurve in Deutschland wegen der sehr niedrigen Inflation zuletzt wieder ins Positive gedreht hat, ist Österreich davon ein gutes Stück entfernt.

Psychologie

Längere Phasen mit negativen Realzinsen seien durchaus keine Seltenheit, betont die Oesterreichische Nationalbank (OeNB). Im Gegenteil: Seit 1949 sei das in der Hälfte aller Jahresquartale der Fall gewesen, so OeNB-Gouverneur Ewald Nowotny. Gerade in vermeintlich "goldenen Zeiten" mit hohen Zinsen waren die Verluste demnach schon deutlich höher: etwa Anfang des Jahrtausends, als bei den täglich fälligen Einlagen negative Realzinsen von minus zwei Prozent aufliefen. Oder in den 1970ern, als wegen der extrem hohen Inflation sogar negative Realzinsen von bis zu minus 5,3 Prozent zustande kamen.

Die Enteignung der Sparer werde jetzt nur deshalb intensiver debattiert, weil bei Zinsen nahe Null die Verluste stärker ins Auge stechen.

Freuen dürfen sich über das Zinstief indes all jene, die einen Kredit wollen (und auch erhalten): Sie können sich zu einzigartig günstigen Konditionen verschulden.

Rasch verfügbar

Auf das Sparverhalten der Österreicher hatte die schleichende Enteignung erstaunlicherweise kaum Folgen. Im Gegenteil: Die kurzfristigen Veranlagungen, die besonders wenig Zinsen abwerfen, haben sich von 2007 bis 2014 mehr als verdoppelt, stellt Strohner fest. Er sieht dafür zwei Gründe: Auch längere Laufzeiten werfen jetzt nur unwesentlich höhere Zinsen ab. Und die Österreicher wollen in unsicheren Zeiten – etwa für den Fall von Arbeitslosigkeit – rasch über ihr Geld verfügen können.

Mit der Steuerreform steigt der begünstigte Mehrwertsteuertarif für einige Produkte von 10 auf 13 Prozent – für Tierfutter, Blumen, Übernachtungen und Kulturtickets. Die Inflationsrate wird das um maximal 0,1 Prozentpunkte erhöhen, sagt Josef Baumgartner vom Wirtschaftsforschungsinstitut (WIFO) zum KURIER. Das basiert auf der Annahme, dass die Kosten zur Gänze auf den Kunden überwälzt würden und die Nachfrage nicht sinke. Um den Gesamteffekt der Steuerreform abzuschätzen, sei es noch zu früh.

Im Februar 2015 ist Österreichs Inflationsrate laut Statistik Austria um 0,8 Prozent im Jahresabstand gestiegen (mehr dazu hier). Ohne den viel billigeren Sprit (–14,8 %) und das Heizöl (–20,6%) hätte die Teuerung 1,6 Prozent betragen. Teurer waren Zigaretten (+5%) und Alkohol (+4,7%), Pauschalreisen (+7,9%) und Wohnungsmieten (+4,9%).
Österreich hatte nach Schweden und Malta die dritthöchste Inflationsrate, vor allem wegen steigender Dienstleistungspreise. Im Euroraum schwächte sich die Deflation auf –0,3 Prozent ab, nach –0,6 Prozent im Jänner.

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