Die Krise zeigt aber auch die Schwächen. Wie krisenresistent muss ein/e Unternehmer/in sein?
Wir leben in einer Zeit der Veränderungen, positiven wie negativen. Die Corona-Krise ist besonders extrem, aber sie wird nicht die letzte Disruption sein. Unternehmen müssen in der Lage sein, auf sprunghafte Veränderungen schnell zu reagieren. Wichtig ist: Das gilt nicht nur für Krisen, sondern auch für Chancen.
Sie sehen die Corona-Krise also auch als unternehmerische Chance. Warum?
Die Corona-Krise ist wie jede Krise auch eine Chance. Eine Krise ruft nach Lösungen – sie zu finden, den Suchprozess zu organisieren und dafür zu sorgen, dass sie bekannt werden, das ist die Aufgabe von Entrepreneuren. Krisen bedeuten, dass sich die Nachfrage verändert, in der Art und im Umfang. Diese Nachfrage besser, schneller und mit neuen Lösungen zu befriedigen, ist eine unternehmerische Gelegenheit. Wer im Moment etwa mehr und bessere Masken, Beatmungsgeräte, Schnelltests oder Desinfektionsmittel schafft, der reagiert auf diese Nachfrage und hilft damit allen. Impfstoffe, Medikamente und neuartige Apps, die die Ausbreitung kontrollieren, ebenfalls.
Sie sagen, dass große Innovationen in der Geschichte oft aus Krisenzeiten stammen. Können Sie Beispiele nennen?
Wenn man zunächst nah an Corona sucht, dann sind beispielsweise die großen Seuchen Auslöser von epochalen Hygieneinnovationen gewesen. Nehmen wir die Cholera-Epidemien. Im 19. Jahrhundert, mitten in einer solchen Seuche, entdeckte der britische Arzt John Snow die Ursache: verunreinigtes Wasser. In der Folge wurden Abwassersysteme geschaffen, im Grunde geht auf ihn die ganze modernen Epidemiologie zurück.
Krisen wecken also den Erfindergeist?
Genau. Auch ganz andere Krisen haben den Erfindergeist befeuert. Überschwemmungen führten zu Innovationen bei Deichen, Hungersnöte zur Erfindung neuartiger Saat- und Düngertechnologien, Kriege zur Erfindung von besseren Methoden der Krankenversorgung. Das Rote Kreuz wurde von Henri Dunant unter dem Eindruck der schrecklich blutigen Schlacht von Solferino geschaffen. Und ganz wichtig: Oft wirken die neuen Lösungen weit über den ursprünglichen Zweck hinaus. Im Ersten Weltkrieg mussten etwa die Männer an die Front. Arbeiter fehlten. Was tun? Die soziale Innovation, auf die man kam, war: Frauen in die Fabriken. Voll Erstaunen hat man gesehen: es funktioniert genauso. Die Emanzipation der Frau hat dadurch einen mächtigen Schub erhalten.
Welche Geschäftsmodelle haben in der Nachkrisenzeit die größten Chancen?
In der Vielfalt liegt die Chance. Ich glaube, es wird sehr unterschiedliche Formen von Geschäftsmodellen geben, man muss experimentieren. Die Digitalisierung wird weitergehen. Wichtig ist, dass Unternehmen generell ihre Anpassungs- und Reaktionsfähigkeiten hinterfragen und im Zweifel weiter steigern. Innovation wird in Zukunft noch ein viel entscheidenderer Erfolgsfaktor werden als sie es jetzt schon ist.
Viele rechnen mit einer Renaissance traditioneller Berufe etwa im Handwerk. Sie auch?
Handwerk wird es immer geben und viele Berufe dort sind besonders krisenfest. Aber ich rechne nicht mit einer Rückkehr zu vormodernen Zuständen oder gar Selbstversorgung und Subsistenzwirtschaft. Unser Wohlstand ist das Ergebnis von Kreativität, von Technologie und von lokaler, nationaler und globaler Arbeitsteilung. Das Rad sollten wir nicht zurückdrehen. Aber wir werden gesellschaftliche Verschiebungen sehen, ganz klar.
Haben Start-ups, die auf Turbo-Wachstum aus sind, nach der Krise ausgedient?
Auf keinen Fall. Schnelles Wachstum bedeutet, dass viele das Produkt wollen. Das wiederum heißt hoffentlich, dass die Lösung gut ist. Wachstum ist also grundsätzlich ein gutes Zeichen. Das gilt unabhängig von Corona und egal, ob für Start-up oder etabliertes Unternehmen.
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