Wo Wien sparen will und wo nicht

Interview mitStadt-Wien-Finanzdirektor Dietmar Griebler
Stadt-Wien-Finanzdirektor Dietmar Griebler weist Kritik an zu hohen Subventionen zurück.

In wirtschaftlich schwierigen Zeiten ist die Finanzierung kommunaler Verpflichtungen alles andere als einfach. Das spürt auch die Stadt Wien. Ihr Finanzdirektor Dietmar Griebler verwaltet ein 12-Mrd.-Euro-Budget.

KURIER: Wien ist ja nicht nur ein Bundesland, sondern auch zugleich eine Stadt und eine Gemeinde. Welche Besonderheiten beziehungsweise Herausforderungen ergeben sich daraus bei der Finanzplanung?

Dietmar Griebler: Man muss es eigentlich umgekehrt sagen. Wien ist Stadt und zusätzlich Land. Daraus ergeben sich vielfältige Herausforderungen, wie etwa die Wasser- und Abwasserversorgung sicherzustellen sowie Kindertagesheime und Volksschulen und den öffentlichen Nahverkehr bereitzustellen. Das alles muss finanziert werden.

Was ja im Normalfall zum Teil Ländersache ist.

Das stimmt, es kommt alles zusammen. Zudem gibt es ein großes Bevölkerungswachstum und eine Wirtschaftskrise, die noch nicht vorbei ist.

Das Budget der Stadt Wien beläuft sich auf rund 12 Milliarden Euro. Auf den ersten Blick eine hohe Summe, dennoch gibt es jährlich eine Unterdeckung. Ist das wirklich nur auf das wirtschaftlich schlechte Umfeld zurückzuführen?

Hauptthemen sind daneben die wachsende Stadt und die dazu nötige Infrastruktur. Jedes Jahr ziehen 25.000 bis 30.000 Menschen zu.

Dieser Zuwachs wird anhalten und damit einhergehend auch die Investitionen.

Das ist richtig. Momentan ist ein Ende nicht abzusehen.

Wie kann man in dieser Situation das Schuldenmachen zurückdrängen?

Schuldenmachen per se ist keine Aufgabe. Es geht darum, dass die Erfordernisse der Bewohner erfüllt werden. Das sind Investitionen in die Zukunft. Natürlich ist das Bemühen auch da, die Ausgaben so gering wie möglich zu halten. Aber es muss intelligent vorgegangen und nicht mit dem Rasenmäher eingespart werden.

2012 hieß es, 2016 will die Stadt ausgeglichen bilanzieren. Vor Kurzem hörte sich das wieder anders an.

Derzeit ist für 2015 ein Abgang von 220 Millionen Euro veranschlagt. Die Bemühungen sind natürlich, diese Vorgaben einzuhalten. Aber unvorhergesehene Ereignisse, wie etwa die Flüchtlingsthematik sind natürlich, was die Finanzierung der bedarfsorientierten Mindestsicherung betrifft, auch zu berücksichtigen. Darüber hinaus macht das Nichtanspringen der Konjunktur die Einhaltung dieses Ziel sehr ambitioniert.

Und 2016?

Dafür sind wir in der Budgeterstellung. Der Stabilitätspakt gibt Ziele vor, die wir versuchen zu erreichen.

Kritik gibt es immer wieder an den hohen Subventionen der Stadt Wien. Warum dreht man nicht an dieser Schraube?

Subvention ist ein negativ besetzter Begriff. Allerdings fallen darunter auch viele Zahlungen, die als Kapitaltransfer gelten, etwa an die Wiener Linien oder an den Krankenanstaltenverbund. Man muss sich bewusst sein, dass bei einem generellen Zurückfahren von Subventionen Leistungen von ganz wesentlichen Einrichtungen der Stadt betroffen wären. Da sagt die Stadt ganz bewusst: Bei Gesundheit oder öffentlichem Verkehr wird nicht gespart.

Das lasse ich mir einreden, aber es gibt viele andere Subventionen, die hinterfragenswert sind. Etwa eine knappe halbe Million Euro jährlich für das Gloria Theater. Muss das sein?

Wien ist eine nicht ganz unwesentliche Kulturstadt. Vom Prinzip her ist das jedem Ressort überlassen, welche Schwerpunkte es bei den Förderungen setzt.

Auch die hohen Personalkosten sind oft ein Thema, etwa die frühen Pensionierungen der Beamten. Wieso spart man hier nicht?

Wir sehen das nicht locker. Wir haben aber relativ viele Bedienstete in den Bereichen Pflege, Spitäler, Müllabfuhr oder Kanal. Das sind alles arbeitsintensive Tätigkeiten. Wir sind eben nicht geprägt durch reine Bürotätigkeiten.

Davon profitieren aber auch die Beamten im Rathaus.

Ich gehe davon aus, dass es hier Rechtsvorschriften gibt, die eingehalten werden.

Kritiker werfen der Stadt auch vor, dass Schulden ausgelagert werden, der Schuldenstand also nicht fünf Milliarden, sondern mindestens doppelt so viel beträgt. Ist diese Rechnung wirklich falsch?

Die Zurechnung von Schulden basiert auf EU-Recht. Wenn Organisationen gewisse Voraussetzungen erfüllen, unter anderem, dass mindestens 50 Prozent der Erlöse durch eigene Einnahmen gedeckt sind, dann sind die Schulden dieser Organisation nicht solche der Gebietskörperschaft.

Bei den aushaftenden Frankenkrediten von 1,65 Milliarden Euro wird immer kalmiert, dass dies nur Papierverluste sind. Macht es sich die Stadt da nicht zu einfach?

Die Stadt ist nicht verpflichtet, endfällig zu tilgen. Das ist der wesentliche Unterschied zum privaten Häuslbauer. Das ermöglicht es der Stadt, ihre Verpflichtungen fortwährend zu verlängern. Das geschieht monatlich zum jeweils aktuellen Kurs.

Aber so unproblematisch ist die Lage ja nicht.

Das ist im Finanzgeschäft eine normale und alltägliche Sache.

Ab welchem Kurs wäre eine Konvertierung in Euro oder Rückzahlung gescheit?

Ich möchte keinen Kurs nennen. Man darf keine übereilten Entscheidungen treffen. Wir beobachten die Situation genau. Wir können aber sofort reagieren. Die Stadt hat aufgrund des unterschiedlichen Zinsniveaus auch in der Vergangenheit große Vorteile erwirtschaftet und die gilt es ebenso zu berücksichtigen.

Die Zinsen sind momentan auch im Euro platt.

Aber noch immer ein wenig höher als im Franken.

Der Rechnungshof bemängelt die aus seiner Sicht intransparenten Haftungen der Stadt. Zu Recht?

Die Haftungen sind auf der einen Seite die Haftung für die Bank Austria, die die Stadt aufgrund der bundesgesetzlichen Regelung des Sparkassengesetzes zu tragen hat und nicht beeinflussen kann. Bei den anderen Haftungen gibt es Beschlüsse des Gemeinderats. In Wien lagt die Haftungsobergrenze für diese Haftungen im Jahr 2014 bei 2,56 Milliarden Euro, die tatsächlichen Haftungen aber nur bei 292 Millionen.

Bei der BA lag die Haftung einst bei weit über 100 Milliarden Euro. Gibt es die Chance, dass eines Tages nichts davon bleibt?

Das wird eintreten. Die Haftung für die Bank Austria ist über Jahre betrachtet rückläufig und beträgt nun 6,7 Milliarden Euro. Es ist auch nicht damit zu rechnen, dass sie jemals schlagend wird. Zudem stehen Werte hinter der Bank. Das muss gesagt werden, weil in der öffentlichen Wahrnehmung derzeit mit dem Begriff Haftung Negatives assoziiert wird.

Es wird ja derzeit der Finanzausgleich neu verhandelt? Was sind Ihre Hoffnungen?

Generell geht es beim Finanzausgleich um das Festlegen der wesentlichen Einnahmen für die nächsten fünf bis sechs Jahre. Dabei muss das starke Bevölkerungswachstum Wiens berücksichtigt werden. Diese Einnahmen gilt es abzusichern.

Die ÖVP will aber zugleich mehr Geld für kleinere Kommunen. Ich gehe davon aus, dass Sie das ablehnen.

Grundsätzlich haben alle Gebietskörperschaften die Einnahmen zu erhalten, die ihren Aufgaben entsprechen. Prinzipiell ist es so, dass eine Großstadt besondere Aufgaben hat und auch überregionale Aufgaben wahrnimmt, Stichwort Spitäler. Hier gilt es einen entsprechen Ausgleich zu erhalten.

Die Wohnbauförderung soll, so lautet eine Forderung, künftig wieder zweckgewidmet werden. Könnte Wien damit leben?

Vom Prinzip sind Zweckbindungen nichts, was man befürworten sollte. Denn werden die Mittel nicht benötigt, werden Ausgaben „erfunden“. Für Wien wäre eine Zweckbindung eher unproblematisch, denn Wien verwendet jetzt bereits die zur Verfügung gestellten Mittel für Wohnbau und die daraus resultierende Infrastruktur. Aber die Mittel für die Infrastruktur müssten dann anderweitig organisiert werden.

Zur Person

Der Wiener (geboren 1970) trat nach dem Jusstudium 1994 in den Dienst der Gemeinde Wien ein. Nach Tätigkeiten in diversen Magistraten wurde er 2006 Leiter der Präsidialabteilung und 2008 Leiter für Dezentralisierung der Verwaltung. Seit 2013 ist er Leiter der Magistratsabteilung 5 (Finanzwesen) und Finanzdirektor und damit die rechte Hand von Finanzstadträtin Brauner. Griebler ist verheiratet und hat zwei Söhne.

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