Wo kein Meister, da kein Lehrling

Wo kein Meister, da kein Lehrling
Viele Solokämpfer, kaum Lehrlinge: Handwerker in Deutschland kritisieren Marktöffnung scharf.

Die Lehrlingsausbildung in Österreich und Deutschland gilt europaweit als Rezept gegen arbeitslose Jugendliche. Zugleich sorgt aber der mit Gesellen- und Meisterprüfung reglementierte Berufszugang für Kritik. Eine "schizophrene Situation", findet Deutschlands oberster Handwerker Hans Peter Wollseifer. Denn das eine gibt es nicht ohne das andere. Der Präsident des Zentralverbandes des deutschen Handwerks (ZDH) warnt vor einer weiteren Liberalisierung nach dem Motto "Jeder kann alles – den Rest regelt der Markt".

Deutschland habe nämlich schlechte Erfahrungen gemacht: 2004 wurde die Zahl der regulierten Meisterberufe von 94 auf 41 reduziert. Ob Raumausstatter, Goldschmied oder Fliesenleger: In "ungefährlichen" Berufen kann sich seither jeder ohne Befähigungsnachweis selbstständig machen.

Die nüchterne ZDH-Bilanz: Zwar ist die Unternehmenszahl in den 53 deregulierten Berufen von 80.000 auf 230.000 explodiert. Der Großteil sind aber Einzelkämpfer, die Zahl der Beschäftigten pro Betrieb ist von sechs auf drei gesunken. Weniger als die Hälfte der Unternehmen überlebe die ersten fünf Jahre; bei Meisterbetrieben sind es fast zwei Drittel.

Damit fällt aber meist die Ausbildung flach. Die unreglementierten Gewerbe bilden nur fünf Prozent der "Azubis" aus, 95 Prozent kommen aus den meisterpflichtigen Branchen. "Eine Liberalisierung der Gewerbeordnung hätte weitreichende negative Auswirkungen", warnt Renate Scheichelbauer-Schuster, Obfrau für Gewerbe und Handwerk in der Wirtschaftskammer. Derzeit prüft die EU, ob die Zugangshürden für Berufe in jedem Land sachlich gerechtfertigt sind. Das ZDH informierte sich über Österreichs Modell der Lehre mit Matura – in Salzburg wählen dieses schon 14 Prozent der Lehrlinge (österreichweit 9 Prozent). Einen Schritt weiter sind die Deutschen dafür bei der rechtlichen Gleichstellung der Meisterprüfung mit dem universitären Bachelor. Scheichelbauer-Schuster hofft, dass es in Österreich bis Ende 2015 so weit ist.

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