Wirtschaftsstandort Österreich wird unterverkauft

Infineon-Chefin Sabine Herlitschka fordert mehr Selbstbewusstsein
Der Standort Österreich ist besser als sein Ruf. Zu tun gibt es aber dennoch genug, meinen prominente Wirtschaftstreibende, wie Infineon-Chefin Herlitschka.

Österreichs Wirtschaft ist seit vielen Jahren top und surft geradezu auf einer Konjunkturwelle. Und trotzdem taucht das Land in internationalen Standortrankings nicht unter den Top Ten auf. Das ist das Resümee der aktuellen Umfrage „Austrian Business Check“ des Gläubigerschutzverbands KSV1870. „Es steht viel auf der Habenseite, wie zum Beispiel Sicherheit, Stabilität, Infrastruktur, hohe Lebensqualität und gute Fachkräfte“, sagt KSV1870-Vorstand Ricardo-José Vybiral.

Leider steht dem auf der Sollseite ebenfalls eine Menge gegenüber, wie viel Bürokratie, hohe Lohnnebenkosten, Bildungsdefizit und Fachkräftemangel. Das berge für internationale Unternehmen wenig Motivation, nach Österreich zu kommen. Auf der Rangliste der 60 wettbewerbsfähigsten Länder der Welt steht Österreich lediglich auf auf dem 19. Platz.

Nicht nur reden

Auch das Thema Digitalisierung wird hierzulande noch zu sehr vernachlässigt. Dass Digitalisierung die Märkte verändert, dem stimmen die meisten Unternehmer zu. „Trotzdem habenmehr als zwei Drittel keine digitale Agenda“, sagt Vybiral. Und wenn sich Unternehmen mit Digitalisierung beschäftigen, dann meistens nur, um Kosten zu sparen, und nicht, um neue Geschäftsmodelle zu schaffen. Hier mangle es an Risikobereitschaft.

Wie aber kann Österreich als Standort attraktiver werden? „Wir haben die Gewohnheit, uns immer in Dingen zu suhlen, die nicht laufen“, sagt Sabine Herlitschka, Vorstandsvorsitzende des Halbleiterherstellers Infineon Austria. Dabei würden in Österreich täglich große Leistungen erbracht, das Land sei auf den globalen Märkten sehr erfolgreich. Statt täglich alles neu erfinden zu wollen, solle man besser woanders hinschauen und sehen, was man adaptieren könne. „Man muss von anderen lernen, etwas ausprobieren und nicht nur reden“, sagt Herlitschka.

Laut Edeltraud Hanappi-Egger, Rektorin der Wirtschaftsuniversität Wien, müsste es mehr Zusammenarbeit zwischen Unternehmen, Universitäten und NGOs geben. „Was Österreich besser könnte, wäre die Schaffung von übergreifenden Innovationsnetzwerken.“ Bisher funktioniere die Vernetzung zwischen Wirtschaft und Wissenschaft nur punktuell.

Großer Vorteil

Stefan Dörfler, Finanzvorstand der Erste Group, erinnert an ein gutes Image, das Österreich vor fünf bis sechs Jahren noch hatte: „Damals war der Standort Österreich stark mit dem Osten verbunden.“ Es sei nach wie vor ein großer Standortvorteil, nah an Ländern zu sein, bei denen ein größeres BIP-Wachstum in den kommenden Jahren zu erwarten sei. „Das ist ein Wirtschaftsmotor, das darf man nicht unterschätzen“, glaubt Dörfler. Österreich habe durchaus Profil, dieses müsse man sich aber selber stärker vor Augen führen und besser an internationale Investoren verkaufen.

Wenn es um Standortqualität geht, darf man die Infrastruktur nicht vergessen, meint Thomas Arnoldner, Vorstandschef der A1 Telekom Austria Group. Bei der klassischen und der digitalen Infrastruktur stehe Österreich gut da, man dürfe aber nicht das Tempo der technischen Entwicklung übersehen und zurückfallen. Auch er sieht eine zu große „Defizitorientierung. Es wäre besser, mehr positive Stimmung auszustrahlen.“

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