Nach dem Motto, wenn es dem Nachbarn schlechter geht als mir, geht’s mir gleich besser?
Die Krise wirkt sich je nach Beziehungsqualität, Arbeitssicherheit und emotionalen Ressourcen unterschiedlich auf die Lebenszufriedenheit aus. Während die einen hohen Stress erleben, erleben andere bisher in der Alltagshektik verschüttete Lebensqualitäten.
Wem kann es in der jetzigen Zeit gefühlt besser gehen?
Beispielsweise jenen, die in einer harmonischen Beziehung leben, einen sicheren Arbeitsplatz und genügend Wohnraum haben. Sie haben vielleicht den Blick für das geschärft, was wirklich zufrieden macht und festgestellt, dass sie viele Konsumgüter gar nicht brauchen.
Jedenfalls sinkt die Konsumlust, die Sparquote steigt ...
Hohe Verunsicherung führt zwangsläufig zu Vorsorge. Das ist auch sinnvoll, wenn die Zukunft sowohl was Gesundheit als auch Einkommen angeht, völlig unsicher erscheint.
Die Maskenpflicht im Handel ist gefallen. Ein guter Schritt?
Meiner Meinung nach nicht. Menschen hätten sich daran gewöhnt, während zurzeit oft Verwirrung und Vergesslichkeit herrschen: in den Öffis und Apotheken ja, in Geschäften nein.
Handelslobbyisten würden jetzt aufschreien und argumentieren, dass niemand mit einer Maske vor der Nase in Shoppinglaune kommt. Sind Sie anderer Meinung?
Nicht die Maske verdirbt die Kauflaune, sondern die Sorge um Gesundheit und Einkommen. Immer wieder wird vom Spannungsverhältnis Gesundheit-Wirtschaft geredet. Dabei ist der Schutz der Gesundheit die Voraussetzung für Wirtschaft, egal ob im Geschäft oder in der Gastronomie.
Was kann die Politik tun? Allen raten, mit gewaschenen Händen Urlaub im eigenen Land zu machen und damit die Wirtschaft anzukurbeln?
Appelle haben oft nicht die gewünschte Wirkung. Wesentlich ist, das Gefühl der Sicherheit zu vermitteln, auf Selbstwirksamkeit zu setzen und kollektive Effektivität, soziale Verbundenheit zu stärken, zu beruhigen und Hoffnung zu machen.
Mit verpflichtendem Mund-Nasen-Schutz?
Wenn nötig und effektvoll, ja. Sicherheitsmaßnahmen müssen zur sozialen Norm werden. Wer sie nicht einhält, gilt nicht als lässig, sondern gefährdet sich und andere. Was die Zukunft anlangt, müssen Politiker und Experten für alle eventuellen Entwicklungen gewappnet sein, Strategien parat haben und flexibel reagieren – ähnlich den „War-Games“.
Welche Note geben Sie der Regierung?
Vieles wird sehr professionell und gut gemacht; manche populistische Aussage ist unnötig.
Kommt man mit Sachinformation überhaupt noch durch, wenn überall Fotos von Särgen mit Corona-Opfern kursieren?
Die Schreckensbilder aus Norditalien haben Angst ausgelöst, mehr als die Sachinformationen der Experten und Politiker. Später verlieren die Bilder ihre Wirkung; Menschen distanzieren sich und in manchen Fällen passiert der gegenteilige und nicht der gewünschte Effekt.
Das müssen Sie aber erklären ...
Aus der Werbeforschung ist bekannt, dass sehr negative, emotionalisierende Bilder Menschen zwar erschrecken, aber selten dazu bewegen, das zu tun, was negative Folgen abhält; sie distanzieren sich von Gefahr und Produkt, das als Lösung beworben wird.
Ist es aus wirtschaftspsychologischer Sicht gut, jeden Tag auf die aktuellen Infiziertenzahlen zu starren?
Information ist gut, aber man darf sich nicht verrückt machen lassen. Mit diesen Zahlen ist es ähnlich wie mit Aktienkursen, auf die man ja auch besser nicht jeden Tag schauen sollte. Das ständige Updaten der Corona-Zahlen war am Anfang der Krise wichtig, um überhaupt begreifen zu können, worum es geht. Mittlerweile ist meiner Meinung nach mehr Gelassenheit angebracht. Wie immer geht’s um einen Mittelweg zwischen Vogel-Strauß-Strategie und Hysterie.
Horten wir bei einer zweiten Welle dann wieder alle Klopapier?
Dabei geht es weniger um Klopapier oder Konservendosen, die gehortet werden. Es geht darum, dass Menschen in so schockartigen Situationen irgendetwas tun wollen. Ob das sinnvoll ist, steht auf einem anderen Blatt.
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