Wirtschaftsmacht Indonesien: Aus dem Sumpf in den Regenwald

Wirtschaftsmacht Indonesien: Aus dem Sumpf in den Regenwald
Pläne zur Übersiedelung der Hauptstadt Jakarta werden konkreter – der Palmölstreit belastet die Beziehungen zur EU

Joko Widodo pflegt sein Macher-Image. Was sich der im April des Vorjahres für fünf Jahre wiedergewählte Präsident – wegen entfernter Ähnlichkeit „Indonesiens Obama“ genannt – in den Kopf setzt, zieht er durch.

Dazu zählt ein kühner Plan: Indonesien will die Hauptstadt umsiedeln. Baubeginn soll 2021 sein, für 2024 wäre der Umzug geplant. Dabei ist bisher nur fix, dass die noch namenlose Kapitale auf der Insel Borneo entsteht.

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Und dass es teuer wird: Die Kosten werden auf 30 Milliarden US-Dollar geschätzt.Die alte Metropole Jakarta, in deren Großregion 32 Millionen leben, erstickt indes im Verkehrsstau. Und versinkt im Sumpf.

Das ist wörtlich zu nehmen: Regenfälle führen zu immer heftigeren Überschwemmungen. Weil das Brauchwasser aus Brunnen gepumpt wird, sinkt die Stadt ab. Rund 40 Prozent liegen unter dem Meeresspiegel.

Kein Wunder, dass da ein Neustart attraktiv scheint. Aber was würde für die neue Hauptstadt benötigt? „Eigentlich alles“, sagt Sigmund Nemeti, der WKÖ-Wirtschaftsdelegierte in Jakarta, lapidar. „In der Region Kalimantan gibt es nichts.“

Außer Regenwald. Ein jüngst versprochenes 23-Milliarden-Dollar-Investment der Vereinigten Arabischen Emirate wäre somit mehr als willkommen.

 

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Hier, im Osten von Kalimantan, soll die neue Hauptstadt entstehen (Dezember 2019). Präsident Widodo und Provinz-Gouverneur Isran Noor

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Verstopfte Straßen: Staus gehören in der Hauptstadt Jakarta zum Alltag (März 2019)

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Überflutungen und Staumauern in Jakarta

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Djakarta liegt zu 40 Prozent unter dem Meeresspiegel

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Anfang Jänner 2020 gab es nach intensiven Regenfällen auch in der Stadt Tangerang, 20 Kilometer westlich von Jakarta, gravierende Überschwemmungen

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Nächtlicher Verkehr in Jakarta (Juni 2019)

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Staus in der Hauptstadt Jakarta

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Präsident Joko Widodo kündigt in traditioneller Tracht während seiner Staatsansprache im Parlament die Verlegung der Hauptstadt an (August 2019)

Ungebremstes Wachstum

Indonesien gilt als aufstrebende Wirtschaftsmacht. Das Wachstum liegt seit Jahren konstant über 5 Prozent. Das ist solide, aber für ein Schwellenland nicht überbordend. Schon gar nicht für eines von dieser Größe.

Noch im Jahr 1960 zählte die frühere niederländische Kolonie nur 88 Millionen Einwohner. Heute sind es 268 Millionen; Platz vier weltweit und das bevölkerungsreichste muslimische Land. Und das Wachstum ist ungebrochen.

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Indonesien ist bei uns zwar als Herkunftsland für Kleidung und Schuhe bekannt. Wichtigster Wirtschaftszweig sind aber Rohstoffe: Erdöl, Kohle, Kupfer, Silber, Gold. Und Agrarrohstoffe, insbesondere Palmöl. Hier hat Indonesien dem weitaus wohlhabenderen Malaysia den Rang abgelaufen, das jetzt auf Produkte mit höherer Wertschöpfung setzt.

Palmöl gilt nicht nur als ertragreichstes Pflanzenöl, es besitzt viele Eigenschaften, die es ideal für den Einsatz in Kosmetika und Lebensmitteln – von Frühstücksflocken über Kekse bis zur Pizza – machen.

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Lastwägen durchqueren abgefackelte Wälder nahe Banjarmasin, Zentral-Kalimantan (September 2019)

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Endlose Palmöl-Plantagen in Batanghari auf der Insel Sumatra (November 2018)

 

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Rauch aus der Abfackelung von Wäldern verdunkelt den Himmel über Kampar auf der Insel Sumatra (September 2019)

 

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Exporte von Palmöl und -fett sind ein wichtiger Zweig von Indonesiens Wirtschaft

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Palmöl gilt zwar nicht als gesund, aber als günstig und besonders ertragreich. Arbeiter auf einer Plantage im Bezirk Nagan Raya, Provinz Aceh (August 2019)

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Ein Arbeiter entlädt Früchte auf der Palmöl-Plantage Peat Jaya auf der Insel Sumatra

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Palmöl-Plantage neben abgebranntem Wald in Süd-Kalimantan (September 2019)

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Ein offenbar vergifteter Elefant wird von Tierärzten untersucht - im Dorf Semanah Jaya im Osten der Provinz Aceh (November 2019)

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Palmöl-Plantagen und Smog über Banjarmasin in der Provinz Kalimantan

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Eine Holzhütte bei einer Palmöl-Planatage, nebenan brennt der Wald - in der Nähe von Banjarmasin, Zentral-Kalimantan (September 2019)

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Eine Holzhütte neben einer Palmöl-Planatage, inmitten von abgebranntem Wald - in der Nähe von Banjarmasin, Zentral-Kalimantan (September 2019)

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Der Raubbau an den Wäldern vernichtet den Lebensraum der Sumatra Orang-Utans. Hier: Die viereinhalbjährige Rere, die von einer Hilfsorganisation gerettet wurde, wird auf Sumatra in die Wildnis entlassen (Juni 2019)

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Das Wildelefantenbaby Amira verstarb an einer Fußverletzung, die es sich in einer Falle von Wilderern zugezogen hatte - das Bild zeigt die Bestattung im Elefanten-Trainingscenter in Aceh Besar (September 2018)

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Palmöl-Plantangen nahe Bawa, Provinz Aceh (Juli 2019)

Die bittere Kehrseite: Für die Palmenplantagen müssen Waldflächen weichen, der Lebensraum für Orang-Utans, Elefanten, Nashörner. Vor dreißig Jahren waren zwei Drittel der Inselflächen bewaldet, jetzt ist es weniger als die Hälfte.

Ein Großteil wird schlicht abgefackelt, womit Indonesien zu jenen Extremwetter-Ereignissen beiträgt, denen seine eigene Hauptstadt zum Opfer fällt.

Palmöl-Abnehmer

Auch die Europäer haben wesentlichen Anteil: Die EU ist hinter Indien der zweitgrößte Abnehmer von Palmöl und -fett. Ende 2018 hat die Gemeinschaft beschlossen, dass Palmöl wegen der Vernichtung der Wälder ab 2021 nicht für europäischen Biosprit verwendet werden darf.

Indonesien fühlt sich diskriminiert: Das Beimischungsverbot sei ein unzulässiges Handelshemmnis, deshalb wurde am 9. Dezember 2019 eine Klage gegen die EU bei der Welthandelsorganisation eingebracht. Es geht um viel: Vier Millionen Indonesier arbeiten direkt in der Palmöl-Industrie, samt angeschlossenen Zweigen hängen rund 17 Millionen davon ab.

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Der Streit belastet die Verhandlungen über einen Handelspakt, welche die EU mit Indonesien im Juli 2016 begonnen hat. Mittlerweile werden Milchprodukte aus der EU – vor allem Frankreich – mit Einfuhrzöllen bestraft. Österreich sei davon nicht betroffen, es gebe kaum Lebensmittelexporte, sagt Nemeti.

Dafür ist Österreich stark bei Maschinen, Geräten, Papier, Medikamenten und Messgeräten. Eine große Niederlassung ist der Faserproduzent South Pacific Viscose, der zur Lenzing-Gruppe gehört. Andritz Hydro konnte Aufträge für Wasserkraftwerke an Land ziehen. „Die hohe Qualität wird sehr geschätzt“, sagt Nemeti. Er sieht viel Potenzial bei Infrastruktur, etwa dem Bau von Spitälern. Die werden gebraucht, etwa in der namenlosen Hauptstadt im Regenwald.

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