Wirtschaftskammer fordert: „Ein Millionen-Paket für Lehrstellen“

Wie in vielen anderen von der Corona-Krise schwer geschädigten Branchen herrscht auch im Tourismus ein eher düsteres Wirtschaftklima
Im Durchschnitt soll es 1.000 Euro pro Lehrling und Monat geben. Die Prämie soll im Voraus ausbezahlt werden

Der wochenlange Stillstand der Wirtschaft, die Unsicherheit der Unternehmen, wie es wirtschaftlich weitergehen soll, treffen einen Teil der jungen Österreicher und Österreicherinnen besonders hart: All jene nämlich, die heuer die Schule abgeschlossen haben und sich um eine Lehrstelle bemühen. Das Angebot an Lehrstellen sieht traurig aus, viele Betriebe warten ab, Hotels und die Gastronomie haben vielerorts einen kompletten Einstellungsstopp verhängt.

Die Wirtschaftskammer ist bereits alarmiert. „Der Schulabschlussjahrgang 2020 darf nicht jener werden, der als Ausbildungslücke in die Geschichte eingeht“, sagt Mariana Kühnel, stellvertretende Generalsekretärin der Wirtschaftskammer (WKÖ), im Gespräch mit dem KURIER. In drei, vier Jahren würden dann die Fachkräfte fehlen.

Staatliche Hilfe

Kühnel fordert „in dieser Ausnahmesituation am Lehrlingsmarkt“ eine Sonderprämie für Betriebe, die Lehrlinge einstellen. „Wir fordern ein Paket von 150 Millionen Euro an Unterstützung für Lehrbetriebe, die zwischen Juli und Dezember einstellen“, betont Kühnel. Die Prämie soll im Voraus ausbezahlt werden, konkret nach Absolvieren der dreimonatigen Probezeit. Im Durchschnitt sollte sich die Summe auf 1.000 Euro pro Lehrling und Monat belaufen.

Wichtig sei, dass diese Lehrlingsprämie sofort und nicht erst im Nachhinein, wie es bei der geltenden Lehrlingsförderung der Fall sei, ausbezahlt werden. „Die Betriebe brauchen jetzt Liquidität“, ist die stellvertretende Generalsekretärin der WKÖ überzeugt.

Damit die jungen Schulabsolventen auch in der Corona-Zeit eine Berufsorientierung erhalten, will die WKÖ das Berufsinformationscomputersystem (www.bic.at) ausbauen, um virtuelle Zugänge zu potenziellen Lehrbetrieben zu schaffen. „Unter den Schulschließungen hat auch die Berufsorientierung gelitten“, sagt Kühnel.

Dramatischer Rückgang

Ohne öffentliche Förderung könnte es für junge Lehrstellensuchende heuer eng werden, befürchtet Kühnel. Umfragen bei Betrieben zeigten, dass heuer um bis zu 10.000 weniger Lehrstellen angeboten werden als in guten Jahren. Das wären um ein Drittel weniger. „Wir haben üblicherweise bis zu 35.000 neue Lehrstellen pro Jahr“, betont Kühnel. Besonders im Handwerk und Gewerbe – die Sparte stellt 43 Prozent aller Lehrstellen – müsse geholfen werden. Aber auch im Tourismus sei größte Zurückhaltung mit Neueinstellungen zu spüren.

Der Abwärtstrend am Lehrstellenmarkt hat sich unmittelbar nach Ausbruch der Corona-Krise bemerkbar gemacht. Schon im April ist die Zahl der Lehrlinge, die im ersten Lehrjahr waren, österreichweit um 3,8 Prozent gesunken. Insgesamt – über alle Lehrjahre betrachtet – waren Ende April laut Statistik der Wirtschaftskammer 101.839 junge Menschen in Lehre. Das ist ein kleiner Zuwachs von 0,4 Prozent gegenüber Ende April 2019.

In der von der Pandemie am stärksten betroffenen Tourismusbranche gab es aber schon im April einen Rückgang der Lehrlingszahl um 3,7 Prozent oder 326 Lehrlinge auf 8.522. Die wichtigste Lehrlingssparte Handwerk und Gewerbe beschäftigte mit 43.172 Lehrlingen noch um 1,2 Prozent mehr als ein Jahr zuvor.

Die Corona-Krise hat eine Reihe von jungen Lehr-Absolventen zum ungünstigsten Zeitpunkt erwischt: „Für den Frühling standen die Termine für die Lehrabschlussprüfungen schon fest. Sie konnten aber nicht eingehalten werden“, sagt Lehrlingscoach Andrea Amersdorfer-Göschl zum KURIER. Viele Jugendliche waren verunsichert, wussten nicht, wie es weitergehe.

Sarah Läugner war eine davon. „Mein Lehrabschluss-Prüfungstermin wäre am 17. März gewesen. Kurz vorher wurde er abgesagt“, erzählt die junge Frau, die Chemie-Verfahrenstechnik bei Novartis in Kundl gelernt hat. Erst am 20. April konnte sie via Skype ihre Prüfung ablegen. „Das war nicht ganz einfach. Ich musste ja Zeichnungen machen und sie dann in die Kamera halten und erklären. Aber es hat schließlichh geklappt“, sagt Läugner.
Die Lehrabschlussprüfung hätte sich Bernhard Patscheider ziemlich anders vorgestellt. Der gelernte Bau- und Landmaschinentechniker  musste sie zwar nicht online absolvieren, aber mit „Mundschutz und wenigen Kollegen nach wochenlanger Verzögerung“ im Wifi abhalten, erzählt er. Das sonst vorgeschriebene Werkstück musste er nicht machen. Durch die Verzögerung der Prüfung ist Lehrlingen Geld entgangen. Sie hätten Facharbeiterentlohnung erhalten. Den Ersatz des Einkommensentfalls können die Lehrlinge bei den Wirtschaftskammer beantragen.

Kommentare