Land der Hemmer

Baustelle Österreich: Gegen die Reformierung der administrativ aufwendigen Rot-Weiß-Rot-Karte für qualifizierte ausländische Arbeitskräfte wehrt sich die Arbeitnehmer-Seite.
Ankündigen, blockieren, aufschieben – wie die Sozialpartner auf der Bremse stehen.

Seit der Reformstau immer offensichtlicher wird, sind die Sozialpartner heftig unter Beschuss gekommen. Jahrzehntelang als Nebenregierung für den wirtschaftspolitischen Kurs Österreichs (mit)verantwortlich, wird den großen Interessenverbänden heute genauso wie der Politik nicht mehr viel Problemlösungs-Kompetenz zugetraut.

Haben Wirtschaftskammer, Gewerkschaft und Arbeiterkammer (vierter Sozialpartner ist die Landwirtschaftskammer) nur ein Imageproblem oder bringen sie tatsächlich keine Reformen zustande? Sind es lediglich die Scharfmacher der Industriellenvereinigung, die das traditionelle Konsens-System sprengen wollen – oder hat der breite Interessensausgleichs ausgedient?

Der KURIER befragte Experten, die diverse Regierungsprogramme und die sogenannten Bad-Ischler-Beschlüsse (einmal im Jahr feiern sich die Sozialpartner groß im Salzkammergut) durchforsteten. Mit Schwerpunkt auf der Kernkompetenz der Interessensvertreter – Arbeitsmarkt, Sozialversicherung und Wirtschaftsstandort. Die lange Liste der unerledigten Themen erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und reicht bis in die 1970er Jahre zurück.

Arbeitsmarkt

Bereits laut Regierungsprogramm 2000 sollte der Berufsschutz bei verwandten Jobs gelockert werden, um Arbeitslose effektiver vermitteln zu können. Stattdessen geht der Trend zur Akademisierung, etwa im Gesundheits- und Pflegebereich. AK und ÖGB blockieren eisern die Lockerung der Zumutbarkeitsbestimmungen.

Bei der Bekämpfung des Missbrauchs der Notstandshilfe herrscht Stillstand.

Das Antrittsalter für die Altersteilzeit war schon bei 55 (Frauen) bzw. 60 (Männer) Jahren. Wurde aber wieder auf 53/58 Jahre gesenkt. Die Gewerkschaft lehnt eine Anhebung strikt ab.

Der Bonus-Malus für ältere Mitarbeiter wird von der Wirtschaftskammer (WKO) mit dem Hinweis auf hohe Kosten verhindert.

Dafür junktimieren AK und ÖGB die im aktuellen Regierungsprogramm vereinbarte Flexibilisierung der Arbeitszeit mit der sechsten Urlaubswoche, die sich vorläufig aber erledigt haben dürfte.

Gegen die Reformierung der administrativ aufwendigen Rot-Weiß-Rot-Karte für qualifizierte ausländische Arbeitskräfte wehrt sich die Arbeitnehmer-Seite.

Die Wirtschaftskammer wiederum bremst die auch von der OECD eingeforderte Überarbeitung der Berufsbilder und die qualitative Verbesserung der Lehrausbildung.

Unerledigt ist nach wie vor die Korrektur der Abfertigung Neu. Das System ist derart ineffizient, dass die Renditen der veranlagten Beiträge gegen Null tendieren.

Bei den Lohnrunden bewegt sich in Richtung Arbeitszeitflexibilisierung, Anpassung der Gehaltskurven Älterer und Berücksichtigung der Produktivität von wenig qualifizierten Arbeitnehmern so gut wie gar nichts.

Sozialversicherung

Schon Ex-Bundeskanzler Schüssel scheiterte mit der Reformierung der AUVA (Allgemeine Unfallversicherungsanstalt) an den Sozialpartnern. Die Zusammenlegung der 19 Krankenkassen und 15 Krankenfürsorgeanstalten wird seit mehr als 20 Jahren diskutiert.

Pensionen

Das Pensions-Monitoring, die Überprüfung, wie sich das faktische Pensionsantrittsalter und die Zugänge in die Pension entwickeln , ist nicht vollständig umgesetzt. Die von allen Experten seit Jahren empfohlene raschere Angleichung des Frauenpensionsalters wird von AK und Gewerkschaft gebremst. Seit 2002 wird über einen Pensionsautomatismus gestritten, der in den meisten EU-Staaten längst eingeführt ist. Mit dem Argument zu hoher Kosten verweigert die WKO Präventionsmaßnahmen vor der Pension.

Wirtschaftsstandort

In etlichen Bad-Ischler-Beschlüssen steht die Senkung des Verwaltungsaufwands für Unternehmen und Bürger. Papier ist geduldig. Dasselbe ist mit der Verbesserung der Anrechnung von Bildungsabschlüssen und Qualifikationen von Zuwanderern. Deregulierungen – nix da, sind sich Wirtschaft und Arbeitnehmer-Vertreter einig. Die Vereinheitlichung der Beitragsgrundlagen zur Sozialversicherung harrt ebenfalls der Umsetzung.

Wieder im Regierungsprogramm steht die Modernisierung der Gewerbeordnung, ein Thema seit den 1970-er Jahren. Und die Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten ist ohnehin eine unendliche Geschichte.

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