Wirecard-Insolvenz zieht weite Kreise
Vom digitalen Aushängeschild bleibt nur noch ein Scherbenhaufen übrig. Der Bilanzskandal rund um angebliche Luftgeschäfte in Höhe von 1,9 Mrd. Euro endet für den deutschen Zahlungsabwickler Wirecard in der Pleite. Am Donnerstag stellte das Unternehmen „wegen drohender Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung“ einen Insolvenzantrag beim Amtsgericht München. Eine Fortführung des Unternehmens sei nicht sichergestellt.
Noch unklar war, ob es für die Tochtergesellschaft in Österreich, die Wirecard CEE mit Sitz in Graz, einen eigenen Insolvenzantrag geben wird. Von Graz aus wird das Zentral- und Osteuropageschäft abgewickelt. Laut Firmenbuch waren dort zuletzt 130 Mitarbeiter gemeldet. Bei Wirecard in Graz war am Donnerstag niemand für eine Stellungnahme zu erreichen.
Von der Insolvenz ausgenommen ist die konzerneigene Wirecard Bank AG, bei der die gesamte Liquidität der Wirecard liegt. Das Bankgeschäft wurde von der Konzernmutter abgespalten, weshalb dieser das Geld ausging. Die Wirecard Bank soll jetzt unter die Kontrolle der Finanzaufsicht BaFin kommen.
Aktie fast wertlos
Die Insolvenz zieht weite Kreise. Direkt betroffen sind 5.300 Wirecard-Mitarbeiter, die auf offene Gehälter warten, sowie tausende Anleger, deren Wertpapiere nur noch Papierwert haben. An der Frankfurter Börse kam es zu Panikverkäufen: Der Aktienkurs stürzte nach dem Insolvenzantrag kurzzeitig um 80 Prozent auf 2,50 Euro ab. Binnen einer Woche verlor der Titel mehr als 90 Prozent seines Wertes. Analysten rechnen damit, dass er zum „Pennystock“ wird, also in den Cent-Bereich fällt. Der Liquidierungswert des Dienstleisters dürfte nicht einmal 100 Mio. Euro wert sein, was einem Kurs von unter einem Euro entspräche.
Beim Insolvenzverfahren schauen die Anleger wohl durch die Finger, ihre Ansprüche werden ganz zum Schluss befriedigt. Für den Börseplatz Frankfurt ist die Pleite ein Fiasko, handelt es sich doch um die erste Insolvenz eines DAX-Unternehmens überhaupt. Ein Rauswurf aus dem Leitindex im September scheint fix, auch wenn der fortlaufende Betrieb doch noch irgendwie sichergestellt wird.
Kunden bangen
Von der Insolvenz indirekt betroffen sind auch 301.000 Kunden, die Payment-Lösungen von Wirecard im Einsatz haben. Wirecard sorgt nicht nur für die technische Abwicklung von Internet-Zahlungen zwischen Händlern und Kreditkartenfirmen, sondern übernimmt auch das Ausfallsrisiko.
Das Geld der Kunden soll zwar durch die Abspaltung der Wirecard Bank gesichert sein, dennoch herrscht große Verunsicherung. Wegen der Insolvenz könnten Kreditkartenfirmen wie Visa oder Mastercard Lizenzen für Wirecard widerrufen und damit für Ausfälle bei Kreditkartenzahlungen sorgen.
In Österreich zählen nach früheren Angaben von Wirecard namhafte Unternehmen wie XXXLutz oder Billa (Online-Shop), A1, die Post, win2day sowie im Bereich E-Mobilität die Energie Steiermark oder Wien Energie zu den Kunden.
Billa-Sprecher Paul Pöttschacher geht davon aus, dass die Technik trotz der Insolvenz weiter funktionieren werde, fügt aber hinzu: „Wir müssen mit allen Eventualitäten rechnen.“ „Wir beobachten die Situation sehr genau und evaluieren operative Anpassungen in unseren Systemen“, heißt es bei A1. Der französische Telekomkonzern Orange und die Londoner Bank Revolut sind einen Schritt weiter und werden sich in Kürze von Wirecard trennen und auf einen neuen Zahlungspartner umstellen, schreibt Bloomberg.
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