Der Ministerialrat hat in der IT-Branche einen ausgezeichneten Ruf, er gilt beispielsweise als Erfinder des elektronischen Aktes.
Er geht im Mai 2023 ohnehin in Pension. Wozu die plötzliche Eile und eine Unfreundlichkeit wie eine Abberufung? Das erklärt Ministeriums-Sprecherin Gabriele Juen eben mit der nahenden Pensionierung und dem „hohen Reformdruck in Digitalisierungs- aber auch IT-Sicherheitsfragen“, Stichwort Cyberattacken. Der bisherige Leiter stehe weiterhin als Fachexperte zur Verfügung.
Nachfolger Kristian J. ging allerdings gleich nach seiner Bestellung in Väterkarenz, wo er bis Oktober zu bleiben gedenkt.
Der abgesetzte Spitzenbeamte wehrte sich gegen die Degradierung und ging vor das Bundesverfassungsgericht (BVwG). Dessen Entscheidung ist kein Ruhmesblatt für das Außenamt. Das Gericht hob Ende Juni die Entscheidung auf.
Die Weisung verstoße gegen dienstrechtliche Vorschriften, argumentierte die Richterin. Es handle sich um eine „qualifizierte Verwendungsänderung“, diese hätte mittels Bescheid erfolgen müssen und nicht per Weisung. Der Beamte habe über 28 Jahre die Abteilung geleitet, offenbar sei es bisher nicht notwendig gewesen, „ihn von seinem Arbeitsplatz abzuberufen“.
Was bedeutet das Erkenntnis jetzt für die Praxis im Ministerium?
Laut dem BVwG hat der abgesetzte Beamte rechtlich immer noch den Arbeitsplatz als Abteilungsleiter inne.
Aber der Job ist bereits mit Kristian J. besetzt.
Auf diese Problematik geht das Ministerium nicht ein. Ob man gegen die Entscheidung des BVwG vor den Verwaltungs- oder Verfassunsgerichtshof gehe, werde innerhalb der sechswöchigen Frist entschieden.
In der Beamtenschaft wird zudem kritisiert, dass die Nachbesetzung des IT-Chefs ohne Hearing stattgefunden habe. Juen geht auf diese Frage ebenfalls nicht ein, betont aber, die Auswahl sei gemäß Ausschreibungsgesetz erfolgt. Von den acht Bewerbern sei der nunmehrige Leiter von der Begutachtungskommission eindeutig als im „höchsten Ausmaß“ geeignet eingestuft worden sowie fünf Kandidaten in „hohem Ausmaß“. Ein Hearing der Top-Kandidaten ist mittlerweile aber auch im öffentlichen Dienst üblich, besonders bei wichtigen Postenbesetzungen.
Der neue Chef kommt aus dem Finanzministerium und habe ein „überzeugendes“ Konzept vorgelegt, betont Juen. An seinem vorherigen Arbeitsplatz dürfte er freilich nicht besonders aufgefallen sein. „Hätte bei uns eher keine Karriere gemacht“, lautet der Tenor im Finanzministerium.
Zuständig für die IT-Abteilung sind Sektionschefin Sigrid Berka (ÖVP-nahe) und Gruppenleiter Michael Rendi, der Ehemann von SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner. Anzunehmen, dass auch Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) informiert wurde.
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