"Wir stehen vor dem Nichts"

Marlene Eistert und Maja Reiner waren Montag Mittag wegen des Abverkaufs im Zielpunkt-Markt in Wien 19
Das November-Gehalt bleibt aus, in den Filialen ist der Abverkauf angelaufen.

Wien 19, Zielpunkt-Filiale Billrothstraße: Mit vollen Einkaufswagen drängen sich die Kunden durch die engen Supermarkt-Gänge, Aktionsschilder hängen plakativ an den Regalen. Heute ist der erste Tag des Abverkaufs. Minus zehn Prozent auf alles, minus 50 Prozent auf Spiele oder Elektrogeräte.

An der Feinkost-Theke wird es lauter: Zwei Männer unterhalten sich mit der Mitarbeiterin über die Zukunft. Kopfschütteln, mitleidige Blicke. Auch noch fünf Tage nach Bekanntwerden der Insolvenz steht den Mitarbeitern der Schock ins Gesicht geschrieben. "Wir stehen vor dem Nichts", sagt eine Verkäuferin.

Hoffnung: Übernahme

"Ich schlafe nicht mehr und stehe täglich mit Kopfschmerzen auf", klagt Filialleiterin Patricia Butz. Gestern, Montag, hätten die Mitarbeiter das November-Gehalt bekommen sollen – nichts. Angeblich soll dafür im Jänner das Doppelte kommen, trauen will dem aber niemand mehr. "Ich bete zu Gott, dass irgendjemand diese Filiale übernimmt", hofft Butz, "wir sind wie eine Familie. Hier kämpft jeder für jeden." An einen Plan B wollen die Mitarbeiter noch nicht denken.

Christian Einfalt ist Stammkunde in der Billrothstraße. Er hofft ebenfalls auf eine Übernahme. "Ich wohne gleich gegenüber und bin immer hier einkaufen." Andere Kunden waren gestern hauptsächlich wegen des Abverkaufs im Markt. "Wir sind normal nie hier, aber haben es gestern auf der Website gelesen", sagen Marlene Eistert und Maja Reiner. Ihr Einkaufswagen ist schon gut gefüllt.

Auch in St.Pölten ist der Abverkauf gestern, Montag, angelaufen. "Ich wohne ganz in der Nähe, dieser Einkaufsmarkt wird mir ganz sicher fehlen." Der St. Pöltener Pensionist Erich Thür bedauert das bevorstehende Aus des Zielpunkt-Marktes in seinem Wohnviertel. Wie viele Kunden ist auch Thür überrascht vom Ende der Supermarktkette.

Noch vor 14 Tagen seien in beiden Filialen im dicht bewohnten Stadtviertel im Süden St. Pöltens alle Regale völlig neu geordnet und umgeräumt worden. Auch zusätzliche Ware habe es danach gegeben, berichtet Thür. Und auch die Einkaufswagerl seien erst kürzlich neu lackiert worden.

Im wenige Hundert Meter entfernten Zielpunkt im St. Pöltener Schweighof bedauern Kundin Erika Todt und eine junge Mutter, die ungenannt bleiben will, die angekündigte Sperre. "Es ist die Nähe zu meiner Wohnung, hier kann ich alles, was ich brauche, leicht bekommen. Ich hoffe, es wird ein neuer Supermarkt eingerichtet", sagt Todt.

In beiden St. Pöltener Märkten herrscht am Montag rege Kundenfrequenz. Der Abverkauf ist sicher verlockend, zugeben wollte das im KURIER-Gespräch aber niemand. Das Verkaufspersonal zeigte sich verunsichert und eingeschüchtert. Niemand war zu einem Gespräch bereit, Fotos im Geschäft wurden untersagt.

Wann die Zielpunkt-Filialen jetzt wirklich schließen werden, weiß niemand.

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