Wifo-Experte: Frühjahrslohnrunde war klassischer Kompromiss

4. RUNDE KOLLEKTIVVERTRAGS-VERHANDLUNGEN DER SOZIALWIRTSCHAFT: FENNINGER / BÖDENAUER
Durch die verhandelten Lohnerhöhungen um durchschnittlich fünf Prozent gibt es keine Befeuerung einer Lohn-Preis-Spirale.

Die heurige Frühjahrslohnrunde hat bisher für etwa 130.000 Beschäftigte mit Kollektivvertrag ein Gehaltsplus von durchschnittlich an die 5 Prozent per 1. Mai gebracht. Der Wifo-Lohnexperte Benjamin Bittschi bezeichnete die relativ hoch erscheinenden Abschlüsse als einen "klassischen Kompromiss". Die aktuellen Inflationsraten seien bei 7,2 Prozent, sagte der Ökonom im Ö1-"Mittagsjournal". Eine Lohn-Preis-Spirale sieht er mit den jüngsten KV-Erhöhungen nicht befeuert.

Mehrere Gründe

"Es gibt verschiedene Gründe, warum das nicht so sein kann", sagte der Vertreter des Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung (Wifo) am Montag in der ORF-Radiosendung unter Verweis auf das "institutionelle Gefüge, wie verhandelt wird - wir verhandeln über rückwirkende Inflation". Damit sei "per se ausgeschlossen, dass das zu einer Erhöhung der Preisdynamik führt und das sieht man auch, wenn man sich die Abschlüsse anschaut: 5 Prozent bei den Mindestgehältern, die aktuellen Inflationsraten sind bei 7,2 Prozent für die Schätzung im April."

Weiters verhandelten zwar die Verbände der Wirtschaftskammer mit den Gewerkschaften auf Branchenebene, "aber die Institutionen im Hintergrund beachten sicher auch sozusagen gesamtwirtschaftliche Gegebenheiten wie die Inflation, weil überhöhte Lohnforderungen können ja auch auf die Arbeitsplatzsicherheit wirken."

Gegen eine Lohn-Preis-Spirale wirkt laut Bittschi auch der hohe Exportanteil der heimischen Industrie. "Wenn da Preisüberwälzungen stattfinden, hat das keinen Effekt auf die heimische Inflation und in der Industrie ist es auch so, dass von der Personalkostenstruktur das ja nur einen bestimmten Teil der gesamten Preise ausmacht und vielmehr Lieferkettenschwierigkeiten, hohe Energiepreise für die Gesamtpreise der Industrie ausschlaggebend sind, als dass der Teil, der jetzt von den Lohnverhandlungen kommt, den großen Beitrag leisten würde", erklärte der Ökonom.

Keine Vorzeichen

Konkrete Vorzeichen für die Herbstlohnrunde will der Wifo-Experte aus den bisherigen Abschlüssen nicht ableiten, nur soviel: "Tendenziell - und man sieht das auch zum Beispiel eben am Abschluss der Elektro- und Elektronikindustrie, wo Einmalzahlungsoptionen enthalten sind und wo Optionen auf Freizeitausgleich enthalten sind, - gibt's schon auch im Rahmen der KV-Verhandlungen Mittel und Wege, wie man mit einer hohen Inflation umgehen kann", strich Bittschi hervor. Im Herbst finden die KV-Verhandlungen für die Metaller sowie für die Beschäftigten im Handel und im öffentlichen Dienst statt.

Interessant beim jetzigen Abschluss sei auch, dass für von der Teuerung besonders betroffene Gruppen wie etwa Lehrlinge "die Abschlüsse deutlich besser sind als im Durchschnitt". "Auch das ist etwas, das man vielleicht für den Herbst erwarten kann", sagte der Wifo-Experte mit Blick auf den Abschluss der Elektro/Elektronikindustrie, die sich vor dem Wochenende ein Lohn- und Gehaltsplus von 4,8 Prozent ausverhandelt hatte - vorgesehen ist dabei aber eine Zahlung von mindestens 130 Euro.

Prognose schwierig

Für niedrigere Einkommen bedeutet das bis zu 6,7 Prozent mehr Geld, wie Gewerkschafter am Freitag betonten. Die kollektivvertraglichen Mindestgehälter und -löhne der Branche stiegen um 5 Prozent, die Lehrlingseinkommen im Schnitt um 8,6 Prozent.

Eine Prognose für mögliche Abschlüsse im Herbst wagte Bittschi freilich nicht. Tatsächlich gebe es auch "eine hohe Unsicherheit über den weiteren Verlauf der Inflation - nicht zuletzt aufgrund der Energiepreise und des Ukraine-Kriegs". "Einerseits haben wir eine sehr gute Industriekonjunktur, also es ist wirtschaftlich so, dass es gut läuft, andererseits haben wir eine hohe Unsicherheit", meinte der Experte und nahm damit auf die hohen Energiepreise, Lieferengpässe, die Pandemie und den Ukraine-Krieg Bezug.

Einen konkreten Prozentsatz, den man als nicht mehr verkraftbar bezeichnen könnte, gibt es seiner Meinung nach nicht. "Dass es eine Hausnummer gibt, ab der man sagt, dieser Abschluss geht nicht, das könnte man jetzt aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht nicht sagen."

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