Wifo-Chef Felbermayr: "Energiesparen hat kurzfristig den größten Hebel"
Wifo-Chef Gabriel Felbermayr geht es bei seinem Vorschlag zur Begrenzung der Energierechnungen darum, dass diese verlässlich erfolgt und gleichzeitig starke Anreize zum Energiesparen bringt. Für Durchschnittshaushalte und gegebenenfalls auch kleinere gewerbliche Verbraucher sollen die Rechnungen dann nicht um mehr als 10 oder 20 Prozent steigen, bekräftigte Felbermayr am Montag gegenüber der APA seine Idee. Es gebe aber noch offene Fragen und das Budget werde belastet werden.
"Daher sollten die Energieversorger einen Teil des Energieverbrauchs der Haushalte kostenfrei abgeben, für den Rest aber Marktpreise verrechnen", so der Direktor des Wirtschaftsforschungsinstituts (Wifo). Die Logik sei simpel, es sind laut Felbermayr für eine Umsetzung - die Politik prüft den Vorschlag - aber noch wichtige Fragen zu klären.
Wichtige Fragen
Dabei geht es darum, wie unterschiedliche Haushaltsgrößen bei der Berechnung der Gutschrift berücksichtigt werden sollen, welche Obergrenzen es geben soll und ob Strom und Gas gleich behandelt werden sollen, so der Ökonom. Weiters stellten sich die Fragen, ob kleinere gewerbliche Verbraucher einbezogen werden sollen und wie der Staat die Energieversorger für die zu gewährenden Gutschriften kompensiert: "Ersetzt er entfallene Gewinne oder die entstandenen Kosten?", so Felbermayr.
An Antworten auf diese Fragen werde derzeit noch "fieberhaft gearbeitet". Dabei seien zwei Dinge zentral: "Erstens darf die Lösung nicht zu neuen Ungerechtigkeiten führen und zweitens muss sie administrativ schnell und einfach umzusetzen sein." Vorige Woche sagte Felbermayer am Rande eines Pressetermins auf Nachfragen: "Man könnte Haushalten gewissen Mengen am Normverbrauch gemessen gutschreiben, ähnlich ginge es beim Strompreis." Das würde dazu führen, dass Haushalte voll zahlen, wenn sie über gewissen Normverbrauchsgrößen liegen würden, blieben sie darunter, würden sie profitieren.
"Sparanreize wären hoch"
Aus Sicht Felbermayrs würden damit zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen: "Die Preissignale würden ankommen, die Sparanreize wären hoch. Es würde dafür Sorge getragen, dass die Menschen mit der Last umgehen können - wer spart, der spart viel, weil die Preise so hoch sind. Die Basisausstattung (mit Energie, Anm.) würde zum Normalpreis oder sogar zum Nullpreis gewährleistet."
"Schon jetzt ist klar, dass die Umsetzung des Modells Lücken ins Budget des Bundes reißen wird", sagte Felbermayr heute. Jedenfalls müsse der Marktpreis für Strom runter. Davon würde dann auch die Industrie profitieren. "Wenn man die Verstromung von Gas, möglicherweise auch von Kohle, bezuschusst, so wie Portugal und Spanien das tun, würde der Preis für Strom deutlich sinken, auch wenn er mit Wasser-, Sonnen- oder Windkraft produziert wird. Das kann Österreich aber nur gemeinsam mit den angrenzenden Ländern tun. Daher kommt hier die EU ins Spiel", gibt der Wifo-Direktor zu bedenken.
"Müssen alles mobilisieren"
Schon vorige Woche sprach sich Felbermayr mehrfach für Energie-Kompensationen für die Haushalte aus. "Wir müssen alles was wir können, mobilisieren um Energie einzusparen - und da gehört natürlich der Privatsektor dazu", hatte er etwa auf Journalistennachfragen am Rande eines Pressetermins gesagt. Damit dort Energie gespart werde, "müssen die Preissignale dort ankommen; dass Energie teuer ist, dass Heizen teuer ist. Aber die Rechnungen dürfen nicht explodieren, es braucht Kompensationen, um Haushalte nicht in Existenznot zu bringen. Denn: "Energiesparen hat kurzfristig den größten Hebel."
Eine Verpflichtung zum Energiesparen sei nicht angebracht: "Ein Raumtemperaturkommissar wird nicht durch die Wohnungen gehen. Die Raumtemperatur liegt sicher in der Autonomie des Einzelnen. Aber was wichtig ist, ist dass die Potenziale genutzt werden, und die haben mit finanziellen Anreizen zu tun", so der Ökonom. "Daher sollten die Preissignale tatsächlich an die Haushalte durchgereicht und nicht gefiltert werden. Einen Deckel halte ich nicht für gut. Wichtig ist, dass allen klar ist, wie wahnsinnig knapp Gas ist - und daher teuer."
Diskussion um Idee
Felbermayrs Idee sorgt für Gesprächsstoff. Für Österreichs Energie, also die Interessenvertretung der österreichischen E-Wirtschaft, ist nun eine Kompensation für Kunden vorstellbar, wenn nicht in den Markt eingegriffen wird, auch für die Energieagentur. Die Regierung prüft Möglichkeiten.
Die Energieagentur Österreich, sie ist ein gemeinnütziger, wissenschaftlicher Verein, der sich mit Energienutzungsmaßnahmen beschäftigt, kann sich eine Kompensation für Kunden grundsätzlich vorstellen. "Der sich derzeit in Diskussion befindliche Vorschlag ist eine Maßnahme, die grundsätzlich dazu geeignet ist, sowohl einen Ausgleich für Haushalte zu schaffen und dennoch Anreize zum Energiesparen zu setzen", hieß es gegenüber der APA am Montag. "Das ist sinnvoll."
Bedenken
Es gibt auch Bedenken, wie die Idee umsetzbar ist: "Die konkrete Ausgestaltung ist aber durchaus herausfordernd", so die Energieagentur. "Wenn man sich beispielsweise auf den Verbrauch des Vorjahres bezieht, können Änderungen eingetreten sein, wie etwa der Ankauf eines Elektroautos, die Geburt eines Kindes oder ähnliches." Darüber hinaus seien die Preisdifferenzen zwischen den Haushalten extrem hoch, etwa bei Bestandskunden und neuen Verträgen. Das mache es schwierig, sowohl Referenzmenge als auch Referenzpreis zu bestimmen.
Die Geschäftsführerin von Österreichs Energie, Barbara Schmidt, wiederum bekräftigte gegenüber dem "Mittagsjournal" im ORF-Radio Ö1 am Montag, dass ihre Interessenvertretung Eingriffe in das Marktsystem in Österreich alleine ablehnt. Wenn, dann müsse das Marktsystem auf europäischer Ebene verändert werden. Ähnlich argumentierten stets auch Felbermayr vom Wifo und andere Ökonomen. Ansonsten würde man von Österreich aus Preise in anderen Staaten nämlich mitfördern.
"Kein Marktpreiseingriff"
Zum Felbermayr-Vorschlag sagte Schmidt, dass dieser "wesentlich positiver" sei, denn: "Dieser Vorschlag ist kein Marktpreiseingriff, sondern eine Kompensation beim Kunden wegen des hohen Preises." Hier gehörten Details geprüft, so Schmidt: "Wir müssen schauen, dass das auch wirklich praktikabel für die Energielieferanten ist." Es lägen viele Modelle auf dem Tisch, die allesamt auf Praktikabilität geprüft werden müssten. Die Unterstützung solle nicht so hoch sein, dass damit auch Luxusanwendungen wie Privatpools oder -saunas mitgefördert werden könnten. Mitbedacht werden müssten auch Wärmepumpen, die der Energiewende dienen, aber Strom verbrauchen. Für solcherlei Themen brauche es "Sonderlösungen".
Dass die Energieunternehmen wegen der dahingaloppierenden Preise derzeit allesamt reich würden, stellte Schmidt gegenüber Ö1 in Abrede und verwies dabei auf solche Energiefirmen, die selbst nicht viel produzieren, sondern selber kaufen müssten. Zudem "brauchen wir auch Kapital, um die Energiewende zu implementieren".
Fokus auf Energiesparen
Auch Florian Haslauer von "e.venture consulting" in Berlin betonte wie Felbermayr, dass der Stromrechnungsdeckel nur sinnvoll sei, wenn die Verbraucher trotzdem zum Energiesparen motiviert werden, berichtete das "Mittagsjournal" weiters. Alle rund vier Millionen Haushalte in Österreich sollten denselben Deckel bekommen. Der Preis für 2.000 Kilowattstunden Strom sollte auf Vorkrisenniveau eingefroren werden, das animiere zum sparen und sei am einfachsten zu administrieren. Dann könne der Finanzminister auch ohne Einkommensprüfung Gutscheine verschicken. Einen gewissen Grundbedarfs des Stroms gratis fließen zu lassen, sei viel langwieriger. "Jeder einzelne Energieversorger müsste mit dem Finanzministerium den Ausgleich machen." Auch helfe das erst bei der Abrechnung, daher ist Haslauer für die Gutscheinlösung. Jedenfalls dürfe nur ein Teil des 3.500 Kilowattstunden hohen Durchschnittsverbrauchs gefördert werden.
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