Wiener Firma an Bord von Audi und Ariane 6

Das selbstfahrende Auto soll schon 2017 zugelassen werden.
KURIER-Serie Pioniere: Hightech-Firma TTTech ist wichtiger Technologielieferant für autonomes Fahren und in der Raumfahrt.

Autopilot, bitte übernehmen! Die Zulassung der ersten selbstfahrenden Pkw könnte rascher erfolgen als bisher gedacht. "Stufe-3-Autos, bei denen der Lenker jederzeit in die Steuerung eingreifen kann, werden schon nächstes Jahr erlaubt sein, völlig autonom fahrende Fahrzeuge wohl schon ein paar Jahre später", ist Georg Kopetz überzeugt. Der Vorstand und Mitgründer des Wiener Hightech-Unternehmens TTTech würde selbst von einer raschen Zulassung profitieren, ist das Unternehmen doch wichtiger Technologielieferant für autonomes Fahren und u. a. an der Entwicklung des nächsten Audi A8 beteiligt. Das erste selbstfahrende Audi-Modell der Stufe 3 soll 2017 in Serie gehen. TTTech steuert Hard- und Softwarelösungen zur Datenkommunikation in der Fahrzeugelektronik bei.

"Die Entwicklung beim selbstfahrenden Auto ist unglaublich dynamisch, wir dürfen nicht warten, bis uns andere Länder überholen", sagt Kopetz in Richtung heimischer Politik. Er verweist auf rechtliche Hürden wie etwa die Straßenverkehrsordnung oder Teststrecken. "Die Deutschen sind da einen Schritt weiter." Um noch näher an den Herstellern zu sein, baut TTTech gerade seine Standorte in den USA, Japan und Deutschland aus.

Wiener Firma an Bord von Audi und Ariane 6
TTTech-Vorstand Georg Kopetz
Nicht nur in der Fahrzeugtechnik, in vielen Industrie-Bereichen läuft ohne vernetzter Elektronik gar nichts mehr. TTTech, 1998 als Spin-off der Technischen Universität (TU) Wien gegründet, gilt als Pionier im boomenden Bereich Industrie 4.0. Das Unternehmen ist Spezialist für robuste, vernetzte Sicherheitssteuerungen in elektronischen Systemen. Lösungen von TTTech steuern nicht nur die Fahrerassistenzsysteme in Autos, sondern steigern auch die Treibstoffeffizienz von Flugzeugen, verbessern die Produktivität von Windturbinen oder sorgen für sichere Kommunikation in Raketen. Dieser Branchenmix erlaube es, eine neue Technologie von der einen in eine andere Branche zu transferieren, so Kopetz. Vieles aus der Automobilindustrie stamme etwa ursprünglich aus der Luft- und Raumfahrt, dem zweiten wichtigen Standbein des Unternehmens.

Ariane 6

Seit einem halben Jahr bauen die Wiener an der Steuerung der neuen Trägerrakete "Ariane 6" der europäischen Weltraumagentur ESA mit. "Ein wichtiges Projekt, weil wir im Rahmen von Ariane 6 eigene Chips für die Raumfahrtindustrie entwickeln, die in Europa gefertigt werden. Die wollen wir dann weltweit einsetzen", erläutert Kopetz. Er hofft auf Folgeaufträge. Im NASA-Raumschiff Orion ist ebenfalls ein Stück TTTech drin.

Seit Einstieg von General Electric und Infineon im Vorjahr befindet sich TTTech auf steilem Wachstumskurs. Die Auftragsbücher sind voll, für heuer wird ein weiteres Umsatzplus von 20 Prozent auf 65 Millionen Euro erwartet. Die Zahl der Mitarbeiter wurde binnen Jahresfrist um 100 auf 500 aufgestockt.

Fachkräfte gesucht

Es könnten noch mehr sein, so Kopetz, "aber wir finden einfach nicht genug qualifiziertes Personal in Österreich". Es gebe viel zu wenige Absolventen an den den Technischen Universitäten. Die jüngste Studienplatzkürzung an der TU Wien kann er daher nicht nachvollziehen. "Wir brauchen durch die Digitalisierung noch viel mehr technische Fachkräfte als bisher."

Grundsätzlich hält Kopetz den Standort Österreich für gut aufgestellt. Das Thema Start-up und Spin-off finde heute eine größere Resonanz als zur Zeiten der TTTech-Gründung. Problem sei aber der zweite Schritt, das Hochziehen innovativer Firmen zu globalen Firmen. "Wir brauchen aber neue Spieler, um die Industriestruktur in Österreich zu beleben", so Kopetz. Um globale Champions wie eine Voest aufzubauen, fehle es aber an Mut, Risikokapital, qualifiziertem Nachwuchs und an der richtigen Selbstvermarktung. "Bei neuen Themen geht es auch um die entsprechende Darstellung in der Öffentlichkeit und hier dominiert in Österreich eher Angst und Skepsis als Pioniergeist."

Mit drastischen Worten forderte EU-Digitalkommissar Günter Oettinger die Schaffung eines digitalen Binnenmarktes in Europa. „Die US-Freunde haben eine klare Strategie. Wenn wir keine europäische entwickeln, werden wir untergehen“, sagte Oettinger im Rahmen der Alpbacher Wirtschaftsgespräche. Entscheidend sei, wer die digitalen Daten habe, denn der habe auch die Macht. Die EU müsse hier den USA etwas entgegensetzen und eine eigene, digitale Infrastruktur aufbauen. Um diese Industrie 4.0 zu organisieren, brauche es eine überregionale Plattform samt eigener, europäischer Standards. Dafür sind laut Oettinger 160.000 zusätzliche IT-Spezialisten notwendig, die es jedoch noch nicht gebe. „Wir müssen daher noch mehr Studienplätze an den Hochschulen anbieten“, fordert der EU-Kommissar. Arbeitsplätze ohne digitale Grundkompetenz werde es in Zukunft kaum noch geben.

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