Sonntagsöffnung in Sichtweite

Wien ist eine Weltstadt - aber nicht bei den tourismusfeindlichen Öffnungszeiten
Wirtschaftskammer setzt auf raschen Beginn der Verhandlungen, Gewerkschaft ist nach wie vor skeptisch.

Die Sonntagsöffnung von Geschäften in Wien war jahrelang ein Tabu-Thema. Nur Richard Lugner, der Betreiber der gleichnamigen Wiener Einkaufs-City im fünfzehnten Gemeindebezirk, rührte unermüdlich die mediale Werbetrommel für eine Feiertagsöffnung, blitzte aber mit diversen Klagen ab und gab letztendlich den Kampf auf.

Jetzt kommt wieder Bewegung in das heikle Thema. Die Wirtschaftskammer Wien (WKW) hat der Gewerkschaft der Privatangestellten (GPA) kürzlich einen Entwurf für eine entsprechende Tourismus-Verordnung samt einem entsprechenden Landes-Kollektivvertrag vorgelegt.

Dazu muss man wissen, dass der Wiener Landeshauptmann und Bürgermeister Michael Häupl per Verordnung bestimmte Stadtteile zu Tourismuszonen erklären kann, in denen dann die Geschäfte zusätzlich auch am Sonntag öffnen dürfen. Eine Grundbedingung Häupls ist allerdings, dass sich die Sozialpartner, sprich die Wirtschaftskammer und die Gewerkschaft, auf eine gemeinsame Lösung einigen.

Entwurf liegt vor

"Wir haben als Tourismuszonen den ersten Gemeindebezirk, das Gebiet rund um die untere Mariahilfer Straße und den Bereich Schloss Schönbrunn, Tiergarten und Hietzinger Hauptplatz fixiert", sagt Klaus Puza, Geschäftsführer der Sparte Handel in der Wiener Wirtschaftskammer, zum KURIER. "Wir wollen ja mit der Sonntagsöffnung nicht nur ein Geschäft machen, sondern auch mehr Mitarbeiter beschäftigen." Nachsatz: "Ich hoffe, dass wir die Sonntagsöffnung noch vor Weihnachten durchbringen."

Für den Handelsexperten "ist es Zeit, dass Wien zeigt, dass es tatsächlich eine Weltstadt ist." Er geht auch davon aus, dass die Gespräche mit der Gewerkschaft nach dem Sommer beginnen werden. Einen Termin für etwaige Verhandlungen gibt es noch keinen. "Ich glaube aber, dass wir auf dem richtigen Weg sind", sagt der WKW-Funktionär. Doch: Viele Kammermitglieder sind nicht überzeugt, dass ihnen die Sonntagsöffnung auch Mehreinnahmen bringen wird.

"Die Mehrheit der Wiener Innenstadt-Geschäfte will die Sonntagsöffnung vorerst einmal austesten", stellt Puza klar. Bringt sie Zusatzeinnahmen, wollen sie ihre Läden offenhalten. Bringt sie nichts, bleiben sie auch künftig zu. Puza: "Im Normalfall bringen Touristen aber mehr Umsatz."

Fingerspitzengefühl

Auch von der Wiener Wirtschaftsstadträtin Renate Brauner kommen positive Signale. "Wenn man das Thema Sonntagsöffnung mit Fingerspitzengefühl angeht und die Sozialpartner konstruktive Gespräche führen, dann bin ich überzeugt, dass für beide Seiten eine gute Lösung gefunden werden kann", sagt Stadträtin Brauner zum KURIER. Detail am Rande: Brauner ist auch Präsidentin des Tourismus Wien.

Gewerkschaft ortet keine Eile

Indes sieht die Gewerkschaft der Privatangestellten (GPA) bei dem Thema Sonntagsöffnung noch kein Licht am Ende des Tunnels."Wir haben einen Vorschlag übermittelt bekommen, wie sich die Wiener Wirtschaftskammer diese Tourismuszonen vorstellt", sagt Barbara Teiber, Regional-Geschäftsführerin der GPA Wien, zum KURIER. "Wir müssen uns den Vorschlag in den nächsten Wochen und Monaten erst ansehen. Wir haben aber keine Eile." Nachsatz: "Wir sind keine Gesprächsverweigerer, aber weiterhin äußerst skeptisch."

Sonderregelung Bahnhof

Indes werden die Bahnhöfe, wie der neue Wiener Hauptbahnhof, auch künftig nicht zu den Tourismuszonen zählen. Wie der KURIER berichtete, gilt für Bahnhöfe eine Sonderregelung. Laut dem bundesweiten Öffnungszeitengesetz dürfen auf Bahnhöfen an Sonn- und Feiertagen nur Lebensmittel und Reisebedarf wie Zeitschriften verkauft werden. Mit der Einschränkung: Die Verkaufsfläche muss auf 80 Quadratmeter abgegrenzt werden. Das stößt Mietern wie dem Zeitschriftenhändler Press & Books sauer auf. "Wir haben die genehmigten Öffnungszeiten und Verkaufsflächen in den Verträgen mit den Einzelhändlern festgehalten", erklärt ÖBB-Sprecher Michael Braun. "Die Händler sind verpflichtet, die gesetzlichen Auflagen einzuhalten."

Weiterführende Links:

Die Diskussion um die Sonntagsöffnung in Wien hat etwas von einer Drehtüre, wie sie in Shoppingcentern üblich sind: Sie dreht sich ewig im Kreis. Vor Weihnachten und vor Großveranstaltungen besonders laut. Schließlich sehen die Befürworter zu diesen Zeiten überall Touristen, die sich ihre Nasen an den Schaufenstern platt drücken, weil die Läden geschlossen sind. Sehr ärgerlich. Vor allem für Shoppingcenter-Betreiber, deren Mieteinnahmen von den Umsätzen abhängen. Schon weniger ärgerlich für die Händler, die von dem leben, was am Ende des Monats in der Kasse ist. Gehaltszuschläge am Sonntag drücken auf die Marge. Und dann gibt es noch die Gewerkschaften, die am Sonntag überhaupt Ruhe in Shoppingtempeln fordern. Alle Lager haben im Laufe der Jahre Berge von Studien angehäuft, die ihre Positionen untermauern.

Sicher ist, dass mit harten Bandagen um die Grenzen der Tourismuszone in Wien gekämpft wird. Da will sich Richard Lugner nicht aussperren lassen. Und auch andere Shoppingcenter werden nicht tatenlos zuschauen, wenn die Konkurrenz ein paar Straßen weiter am Sonntag Geld einnimmt. Kommt die Tourismuszone in Wien, geht der Streit um die Grenzziehung erst richtig los.

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