Wie Deutschland den Diesel retten will
Rund die Hälfte aller in Europa zugelassenen Pkw sind mit Dieselmotoren ausgestattet. Weltweit sind es nur 14 Prozent. Schenkt man einer Studie der Schweizer Bank UBS Glauben, so sinkt dieser Anteil in den nächsten zehn Jahren auch in Europa auf nur noch 15 Prozent. Mit ein Grund ist der Dieselskandal. Deutschlands Autobauer und Politik versuchen dieses Szenario abzuwenden, geht es doch um eine Schlüsselindustrie des Landes. Aus diesem Grund treffen einander heute Branchenvertreter und Politiker von Bund und Ländern zu einem Krisengipfel in Berlin. Die Erwartungen sind überschaubar. Folgende Maßnahmen sind in Überlegung, um den Diesel wieder flott zu kriegen:
Software-Update
Weitere Millionen Diesel-Pkw der beiden jüngsten Generationen (Euro 5 und 6) erhalten wie schon bei zahlreichen VW-Modellen eine neue Software eingespielt, die den Schadstoffausstoß reduzieren soll. Problem ist, dass die langfristige Wirkung auf Motoren und Verbrauch unbekannt ist. Möglich und noch effektiver wären technische Lösungen. Die Kosten sind mit mindestens 1500 Euro je Fahrzeug jedoch deutlich höher. Daher ist diese Maßnahme im Gegensatz zu Software-Updates (die wohl auch in Österreich umgesetzt werden) vorerst wenig realistisch.
Verschrottungsprämie
Immer wieder kommen Vorstöße, wie zu Zeiten der Wirtschaftskrise 2009 den Eintausch alter Fahrzeuge mit einer staatlichen Prämie zu fördern. Damit wären weniger alte Stinker unterwegs. Vorstellbar sind auch Steueranreize oder Prämien für Hybrid- oder Elektroautos. Dazu kommen dürfte es aber nicht.
Bessere Motoren
Diesel-Motoren der Klasse Euro 6 sind seit 2014/2015 im Einsatz. "Rückblickend festgestellte Schwachstellen sind nicht mehr zukunftsrelevant", sagt Prof. Bernhard Geringer vom Institut für Automobiltechnik an der TU Wien. "Auf Basis intensiver Forschung sind vollständig umweltneutrale verbrennungsmotorische Antriebe darstellbar." Die problematischen Stickoxide seien mit dem SCR-System (Selective Catalytic Reduction, Abgasnachbehandlung) praktisch auf Null verringerbar.
"Bei Benzin und Diesel sind in den nächsten Jahren noch Verbrauchssenkungen von zehn bis 15 Prozent möglich", heißt es seitens der Salzburger Porsche Holding. BMW Österreich verweist zudem auf die neue Technik der Abgasrückführung (AGR). Auch diese werde helfen, bis 2030 die Diesel-Emissionen um 92 Prozent zu verringern. Stickoxide würden aber eine Herausforderung bleiben, gibt BMW zu.
Umweltschützer hingegen wollen den Diesel so rasch wie möglich ausbremsen. Und zwar mittels
Steuererhöhungen
Die niedrigeren Preise für Diesel-Kraftstoff sind einigen ein Dorn im Auge. "Die steuerliche Begünstigung ist ein Anreiz, sich für einen Diesel zu entscheiden", sagt VCÖ-Experte Markus Gansterer. Er plädiert für eine steuerliche Gleichbehandlung mit Benzinern.
Fahrverbote
Die schädlichen Stickoxide wirken sich vor allem in Städten negativ aus. Zahlreiche Politiker im In- und Ausland fordern Fahrverbote, zuletzt in Klagenfurt. In Graz sprachen sich in einer Befragung 2012 zwei Drittel der Bewohner gegen die Einführung von Umweltzonen aus. In Wien wollen die Grünen dazu im Herbst eine Studie präsentieren. In einigen Städten in den Niederlanden, Belgien oder Frankreich gibt es bereits Umweltzonen für ältere Diesel.
Zulassungsverbote
Stoßen Autos zu viele Schadstoffe aus, dürfen sie gar nicht mehr fahren. In der Vorwoche gab es erstmals ein Verbot, es traf 21.500 Porsche Cayenne, davon 427 in Österreich. Sie benötigen nun eine neue Software.
Die ersten 30 Exemplare des neuen „Model 3“ werden nach einem Monat Serienproduktion an die Besitzer übergeben. Anlässlich der Dieselkrise kommt die günstigere batteriebetriebene Alternative gerade recht, doch Tesla hat Startschwierigkeiten.
Die Produktion dauert länger als erwartet. Die ersten 500.000 Autos sind zwar schon vorbestellt, die Kunden müssen allerdings lange Wartezeiten in Kauf nehmen. Je nach Ausstattung kann die Lieferung bis November 2018 dauern. Obwohl Tesla massiv in den Ausbau von Produktionsanlagen und Batteriefertigung investiert hat, konnten im ersten Produktionsmonat Juli überhaupt nur 50 E-Autos die Fertigungsstätte verlassen. Der drastische Produktionssprung von rund 84.000 Fahrzeugen 2016 auf 500.000 im Folgejahr steht noch bevor. Tesla-Chef Elon Musk sprach von einer „sechsmonatigen, vielleicht noch längeren Höllentour“.
Abgesehen davon steigt mit dem Einstieg in den Massenmarkt auch die Konkurrenz zu traditionellen Marken. Auch diese bauen die Fertigung von E-Autos aus und sind es gewohnt in großen Mengen zu produzieren.
Auch im Image-Tief punktet Diesel mit dem Preis, Stromautos fehlt es an ReichweiteDer KURIER hat Autofahrern zwei Fragen rund um den Diesel-Skandal gestellt.
1: Hat Diesel noch Zukunft?
2: Können Sie sich vorstellen, ein E-Auto zu kaufen?
Andrea Scholdan (58), fährt Benzin:
1: „Nein, glaube ich nicht. Das ist ja für die Umwelt nicht gut. Viele meiner Freunde, die immer Diesel gefahren sind, kaufen jetzt auf einmal keine Diesel-Autos mehr.“
2: „Noch nicht, solange ich noch keine gescheite Strecke hinter mich bringen kann.“
Milan (25):
1: „Ja, klar. Das ist halt am billigsten.“
2.„Nein, Elektroauto ist nicht das! Für älteren Leute vielleicht schon, aber für die heutig e Jugend – glaub’ ich nicht.“
Pantic Boban (40):
1. „Ja, weil es einfach die bessere Lösung ist. Weil er weniger verbraucht.“
2. „Nein, wegen der zu geringen Distanz.“
Fritz Breier (53), fährt Diesel:
1. „Ja, zweifelsfrei. Weil die Betrachtungsweise der Abgase völlig undifferenziert ist. Wie viel Prozent macht der Ausstoß von Kfz vom gesamten Feinstaubausstoß aus? 10 bis 15 Prozent. Das heißt, das Phänomen ist ganz klein.“
2. „Nein, ich würde mir einen Hybrid kaufen. Weil die Reichweite besser ist. Und wenn Sie Automobilspezialisten fragen, hat das die beste Wirkung.“
Taxifahrer (47):
1. „Ja, weil er billiger und effizienter ist. Sonst muss Taxifahren einen anderen Preis haben. Das würde dann teurer werden, anders könnte ich mir das nicht leisten.“
2. „Als Taxifahrer momentan nicht. Weil bei mir kann jederzeit jemand einsteigen und sagen, ich möchte nach
Deutschland oder nach Salzburg. Wie sollte ich da mit der jetzigen Reichweite hin- und wieder zurückkommen?“
David (36), fährt Benzin:
1. „Ich glaube nein. Diesel ist eh schon länger fraglich und ich glaube, dass das einfach nichts Gutes tut.“
2. „Ja, würde ich. Derweil ist es noch nicht erschwinglich für mich.“ t. bittermann
Auch die neuesten Diesel-Modelle der Autokonzerne überschreiten nach Informationen der Bild-Zeitung die Grenzwerte für Stickoxide deutlich. Die Zeitung berichtet in ihrer Mittwochsausgabe über neue Messungen der Deutschen Umwelthilfe (DUH), die insgesamt 75 Diesel-Pkw getestet hat.
Unter den zehn Modellen mit dem höchsten Stickoxid-Ausstoß befindet sich dem Bericht zufolge auch der neue, erst im zweiten Halbjahr 2016 eingeführte Volvo S90 4D. Das Modell mit auf der Straße gemessenen 1076 Milligramm je Kilometer habe den Grenzwert von 80 Milligramm je Kilometer um das 13,5-fache überschritten.
Angeführt werde die Negativ-Liste vom aktuellen Audi A8 L 4.2 TDI, der beim Straßentest der DUH mit 1422 mg/km um das 17,8-fache über dem Grenzwert liege, berichtete die Zeitung weiter. Es folgten Modelle von Fiat (500X 2.0), Renault (Capture 1.5 dCi) und Landrover (Discovery Sport HSE TD4). Unter den Top 10 der Verschmutzer waren demnach auch Mercedes (B 180 d), Opel (Zafira Tourer 1.6 CDTI) und VW (Golf 1.6 TDI, Euro 5 vor Softwareupdate) vertreten.
"Die Liste zeigt, dass die Grenzwerte massenhaft und dramatisch selbst von neuen Modellen überschritten werden", sagte der Testleiter der Umwelthilfe, Axel Friedrich. "Das ist schlicht nicht zu akzeptieren."
Nur vier Autos hielten dem Bericht zufolge den Grenzwert von 80 mg/km ein, alle Modelle von deutschen Herstellern: Audi A5 2.0 TDI, Mercedes E 200d mit neuem OM-654-Motor, Audi Q3 2.0 TDI quattro und der VW Sharan 2.0 TDI.
Kartellvorwürfe und der nicht enden wollende Abgasskandal: Der Lack der einst stolzen deutschen Autoindustrie ist ab. Zu lange hat sie unter Duldung der Politik vertuscht, dass Verbrennungsmotoren weitaus mehr Dreck rausblasen als angegeben. Umweltschützer sowie einige Experten und Politiker machen insbesondere gegen den Diesel mobil und propagieren den raschen Umstieg auf das Elektroauto. Helfen sollen dabei höhere Steuern auf Diesel und Fahrverbote. Wie dann Pendler künftig zu ihrer Arbeit kommen oder sich die deutlich teureren E-Autos leisten können, bleibt unerwähnt. Ebenso, wie Autobesitzer daheim und am Arbeitsplatz mangels Infrastruktur ihre Vehikel aufladen können.
Apropos Arbeit: In Österreich sind Zehntausende Menschen in der Autoindustrie beschäftigt. Sie liefern ganze Motoren, etwa bei BMW oder Opel, und Komponenten zu den Herstellern. Das Aus für den Diesel würde auch das Aus für Tausende Jobs bedeuten. So schnell kann eine ganze Industrie nicht auf den Elektroantrieb umsteigen; ohnehin benötigt dieser weniger Teile als ein Verbrennungsmotor und somit in Folge Arbeitsplätze.
Hinzu kommt: So toll umweltfreundlich ist ein E-An-trieb nicht. Laut einer Studie rechnet er sich in der CO2-Bilanz gegenüber dem Verbrennungsmotor erst nach acht Jahren. Denn es entsteht enorm viel Kohlenstoffdioxid bei der Produktion der Batterien. Die in diesen enthaltenen Metalle Lithium und Kobalt sind zudem selten, ihr Abbau teuer und zerstört ganze Landstriche in Afrika und Asien. Und auch Österreich wird sich neue Energiestrategien überlegen müssen. Eine Million E-Autos benötigen so viel Energie wie zwei neue Donaukraftwerke produzieren.
Wer sich also für das E-Auto starkmacht, sollte auch Ideen und Lösungen für all diese Probleme parat haben.
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