TikTok: Wie Chinas Milliarden-App die Branche aufmischt

TikTok: Wie Chinas Milliarden-App die Branche aufmischt
Mit Videoclips von Teenagern und künstlicher Intelligenz fordert das Start-up aus China die US-Riesen heraus.

Wenn 13-Jährige plötzlich wie wild zu tanzen beginnen, jemanden nachäffen und sich dabei selbst mit dem Smartphone filmen, denken Erwachsene eher an „TokTok“ als an „ TikTok“. TikTok? Wer den Begriff nicht kennt, hat das falsche Alter.

Die Smartphone-App, mit der kinderleicht kurze, witzige Videoclips mit dem Handy erstellt werden können, verbreitet sich gerade wie ein Lauffeuer bei Millionen von 8- bis 15-Jährigen weltweit – auch in Österreich. So harmlos die gehypte Teenie-App daherkommt, in den USA schrillen die Alarmglocken. Laut Washington Post könnte TikTok gar zu „ Chinas effektivster Waffe im globalen Informationskrieg werden“. Dann nämlich, wenn der Social-Media-Dienst aus China Facebook, WhatsApp, Instagram, Snapchat oder YouTube gänzlich überflüssig macht.

Anders formuliert: Im Kampf um die Vorherrschaft am Smartphone müssen sich die US-Plattformen warm anziehen. Strategisches Ziel des TikTok-Mutterkonzerns ByteDance mit Sitz in Peking ist „ein grenzenloses Google“.

500 Millionen Nutzer

Der Erfolgslauf von TikTok schwappte ausgerechnet aus den USA nach Europa. Seit der Übernahme der populären App Musical.ly im Vorjahr stiegen die Nutzerzahlen rasant. Laut Marktforscher Sensortower war TikTok im August mit 68 Millionen Installationen die am häufigsten heruntergeladene App der Welt – noch vor WhatsApp, Facebook und YouTube.

Mehr als eine halbe Milliarde Nutzer soll TikTok weltweit zählen. In Deutschland hat die App inzwischen mehr als 4 Millionen Nutzer, in Österreich dürften es einige 100.000 Teenager sein. Laut „Jugend Internet Monitor“ rangierte TikTok zuletzt auf Platz 7 der beliebtesten Social-Media-Apps. Tendenz stark steigend, so solange die Erwachsenen die Spielwiese noch nicht entdeckt haben.

Teuerstes Start-up

Die Turbo-Expansion macht Investoren den Mund wässrig. Der chinesische Shootingstar ByteDance Technology ist mit einem Marktwert von 75 Mrd. Dollar (66 Mrd. Euro) das aktuell wertvollste Start-up der Welt. Zu den Investoren zählen Sequoia Capital, KKR, General Atlantic und Softbank-Gründer Masayoshi Son, der zuletzt 2,5 Mrd. Euro in die TikTok-Mutter, die auch einen Sitz in New York hat, steckte. Gründer und Ideengeber des Unternehmens ist der 36-jährige Software-Entwickler Zhang Yiming aus der südchinesischen Küstenprovinz Fujian. Er zählt inzwischen zu den zehn reichsten Chinesen.

TikTok: Wie Chinas Milliarden-App die Branche aufmischt

Die Video-App ist auch bei Investoren begehrt

Der Umsatz von ByteDance soll heuer 16 Mrd. Euro erreichen, 2020 werden schon 26 Mrd. anvisiert. TikTok ist dabei nur eine Marke in der bunten App-Welt aus der Volksrepublik. Mit dem in China weit verbreiteten Nachrichten-Aggregator Toutiao (siehe Artikel unten) will das Unternehmen ebenfalls expandieren.

Und das ist erst der Anfang. 2020 will ByteDance ein eigenes TikTok-Smartphone mit vorinstallierten Apps auf den Markt bringen und ins weltweite Musik-Streaming-Geschäft einsteigen – ein Frontalangriff auf Google und Apple. Auch eine eigene Suchmaschine nach Google-Vorbild wurde angekündigt.

Werbung von morgen

Zunehmend begehrt ist TikTok bei der Werbewirtschaft, eine Werbevermarktung für Europa (TikTok-Ad) wird gerade aufgebaut. Mit künstlicher Intelligenz zeigen die Chinesen, wohin die Reise im Marketing geht. Die App stellt für ihre Nutzer automatisch Inhalte zusammen und lernt, deren Interessen zu verstehen. Große Marken wie Pepsi, Nike oder Guess stellen hippe Videoclips auf TikTok, die dann von den Jugendlichen nachgeahmt – und so massenhaft weiterverteilt – werden. Eigene Tanz-Wettbewerbe („Challenges“) werden inszeniert.

„Das Musikthema spielt eine sehr große Rolle im Social-Media-Marketing“, bestätigt Bernd Pfeiffer, Social-Media-Experte bei der Wiener Agentur LimeSoda. Ein Kunde, ein großer Diskonter, habe erst kürzlich seinen Werbe-Clip auf TikTok gestellt. Es gehe darum, die „Generation iPhone“ sehr früh an die Marke zu binden.

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