Was uns Deutschland voraus hat

Was uns Deutschland voraus hat
Die Talfahrt des Standorts geht weiter: Platz 26 unter 61 Ländern. Österreich ist dort, wo Deutschland vor 10 Jahren war.

Es ist traurige Routine geworden: Österreich hat sich bei einem Standortvergleich dramatisch verschlechtert. Wieder einmal. Die wichtigsten Fragen und Antworten:

Was genau sagt diese Rangliste aus?

Das Institut für Management (IMD) in Lausanne überprüft seit 1989 die Wettbewerbsfähigkeit und Standortqualität. Es bewertet, wie gut ein Land im internationalen Wettbewerb mithält. Aktuell umfasst das „Competitiveness Yearbook“ 61 Länder.

Wie schneiden wir ab?

Österreich hat 2015 vier Ränge verloren und landet nur noch auf Platz 26 – der Wirtschaftsstandort ist im Mittelmaß angekommen. Seit dem besten Abschneiden mit Platz elf im Jahr 2007 ging es stetig bergab.

Warum ist diese Entwicklung besorgniserregend?

Was uns Deutschland voraus hat
Weil Österreich als Zulieferer eng mit Deutschland verflochten ist. Unsere Unternehmen müssen also wettbewerbsfähig bleiben, um Schritt halten zu können. 2010 lagen Österreich und der große Nachbar noch gleichauf, seither sieht es für uns düster aus (siehe Grafik).

Wo schneidet Österreich gut ab?

Die Exportprodukte sind breit gestreut und damit wenig krisenanfällig: Platz eins. Auch die Lebensqualität (3. Platz), Lehrlinge (3. Platz), KMUs (4. Platz) und die Rechtssicherheit (7. Platz) erreichen Spitzenwerte.

Und wo sieht es besonders schlecht aus?

60. und damit Vorletzter ist Österreich bei der Höhe der Einkommensteuer – umgelegt auf das BIP pro Kopf. Ebenso hoch wird der wirtschaftliche und soziale Reformbedarf (Platz 60) eingeschätzt. Leider wird der Regierungspolitik keine hohe Anpassungsfähigkeit für wirtschaftliche Herausforderungen zugetraut (Platz 59).

Ist das wirklich alles für bare Münze zu nehmen?

Die IMD-Rangliste ist wie jene des Weltwirtschaftsforums ein international viel beachteter Vergleich. Aber ist es wirklich so viel attraktiver, in Katar (Platz 13) Geschäfte zu machen? Oft wird kritisiert, dass neben harten Fakten zu einem Drittel eine Manager-Umfrage mit 6230 Teilnehmern weltweit einfließt. Da wirkt die negative Stimmung in Österreich („abgesandelt“) als Verstärker.

Das IMD-Absacken deckt sich jedoch mit der generellen Außenwahrnehmung. Die Wirtschaftskammer (WKO) wertet gleich 180 solcher Ranglisten aus. Auch da fällt Österreich 2015 noch einmal weiter zurück.

Ist die Kritik an der IMD-Methodik berechtigt?

Nur zum Teil. Inzwischen werfen auch „harte“ Messgrößen wie das schwache Wachstum Österreich zurück. Methodisch fragwürdig ist, dass vereinzelt absolute Größen (wie die Zahl der Einwohner oder Beschäftigten) bewertet werden. Da kann ein kleines Land nur schlecht abschneiden. Alles in allem fließen 342 Einzelfaktoren ein, nicht alle davon sind freilich gleich stark gewichtet.

Welche Länder sind 2015 die Auf- und Absteiger?

In der Spitzengruppe ist die Schweiz von 2 auf 4 zurückgefallen. Luxemburg schaffte einen beachtlichen Sprung von 11 auf 6 – nicht dank günstiger Steuerdeals: Positiv bewertet wurden die höhere Produktivität, der Budgetüberschuss und das solide Wachstum. Deutschlands positiver Trend hat gedreht – Rückfall von 6 auf 10. Stark verbessert sind die Euro-Krisenländer wie Griechenland, Portugal und Italien. Wenig überraschend: Die Ukraine ist elf Ränge abgestürzt, liegt nun unmittelbar vor dem traditionellen Schlusslicht Venezuela.

Gibt es auch Hoffnungsschimmer in Österreich?

Wenige, aber doch. Das IMD wertet positiv, dass die Zahl der Patente gestiegen ist. Es dauert nun „nur“ 22 statt 25 Tage, um Start-ups anzumelden. Manager schätzen die zuverlässige Infrastruktur, gut ausgebildete Arbeitskräfte und die stabile Rechtslage. Nächstes Jahr könnten sich das neue Crowdfunding-Gesetz und eventuell eine dank Steuerreform bessere Kaufkraft positiv auswirken, vermutet WKO-Experte Stephan Henseler. Wichtig sei es, dass die Firmen Vertrauen fassen und die Investitionen ankurbeln.

Warum in Österreich gerade so wenig investiert wird, lesen Sie hier.

Wieder abgerutscht. Dass Österreich beim IMD-Standort-Ranking seit 2007 von Platz elf auf 26 zurückgefallen ist, kann man kleinreden wie die Arbeiterkammer, die dazu meinte: „Mit dem dauernden Krankjammern will die Wirtschaft nur ihre Nimmersatt-Forderungen durchsetzen.“

Aber muss denn nicht – umgekehrt – die „nimmersatte“ AK Abschied nehmen von ihren Träumen vom Vollkasko-Staat? In kaum einem anderen Land geht man so früh in Pension, leben so viele in Sozialwohnungen, sprudelt das Geld für Leistungsschwache so reichlich. (Alles zusammen hat übrigens Vermögensbildung in breiten Schichten gebremst – der Staat übernahm ja die Vorsorge.)

Österreichs Abrutschen wird auch anderswo dokumentiert: die Arbeitslosenzahl steigt, das Wirtschaftswachstum schwächelt, die Bürokratie ist hoch, das Budget kracht. Stärken wir doch unsere Stärken: die vielen ausgezeichneten Betriebe, die produktiven Arbeitnehmer und, ja, auch die Lehrlingsausbildung. Sie gilt international als vorbildlich, obwohl ihr Prestige „daheim“ gesunken ist.

Und lügen wir uns nicht in den Sack: Österreich zählt zu den reichsten Ländern der Welt, verspielt diesen Status aber gerade. Nur echte Reformen bringen ein Land – siehe Deutschland – auf den Erfolgspfad zurück.

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