Zuletzt wurde der wachsende US-Markt vom Schweizer Abfüllwerk Widnau (Kanton St. Gallen) aus beliefert. Selbiges ging 2005 in Betrieb. Schon damals wogte ein Stahlstreit zwischen den USA und der EU, bei dem die Amerikaner mit Importzöllen drohten. Die Schweiz war als Nicht-EU-Mitglied nicht betroffen.
Dass Red Bull und Rauch jetzt im nächsten Schritt in die USA gehen, verwundert Branchenkenner nicht. Der Energy-Drink-Hersteller ist das Zugpferd der österreichischen Lebensmittelindustrie. Von den Agrarexporten in die USA im Wert von 934 Millionen Euro entfallen mehr als 90 Prozent auf den Getränkesektor. Der hängt wiederum fast ausschließlich am Exportschlager Red Bull.
Red Bull hatte jedoch nie eine eigene Abfüllung, den Job hat von Anbeginn an das Vorarlberger Familienunternehmen Rauch erledigt – übrigens einer der größten Bahnkunden im Westen des Landes. Auch dank eines eigenen Container-Bahnhofs am Produktionsstandort Nüziders. Von dort aus werden die Dosen in Containern auf der Schiene abtransportiert – in Richtung der Häfen Rotterdam und Hamburg, von wo aus sie nach Übersee verschifft werden. Ein enormer Aufwand.
In Zeiten der Handelskriege und eines erratisch agierenden US-Präsidenten ist das jedoch kein sicheres Modell mehr. Gerade erst haben die USA Strafzölle auf Wein und Whisky, Käse, Oliven sowie ganze Flugzeuge aus der EU verhängt, Anfang nächsten Jahres wird die EU zum Gegenschlag ausholen. Quasi über Nacht könnten die USA also auch Strafzölle auf importierte Energy Drinks verhängen. Wer dann vor Ort produziert, ist nicht betroffen. Das Werk sichert somit für den Fall der Fälle die Wettbewerbsfähigkeit. Eine Abwanderungswelle müssen weder die Schweiz noch Vorarlberg befürchten. In Arizona entstehen 140 Jobs.
Ökologischer ist eine Präsenz vor Ort dank der kürzeren Transportwege obendrein und betriebswirtschaftlich macht sie ebenfalls Sinn, weil die Kosten sinken und flexibler auf Produktionserfordernisse reagiert werden kann.
Denn auch die Aludosen kommen ganz aus der Nachbarschaft: Ein neuer Produktionsstandort von Ball in Goodyear/Phoenix ist wenige Kilometer entfernt. Ball ist der jüngste Partner im Dreierbunde: Der Marktführer aus den USA schluckte 2016 seinen britischen Rivalen Rexam. Und übernahm die Rolle des Red-Bull-Lieferanten. In Ludesch (Bezirk Bludenz) laufen seither mehr als 8.000 Dosen pro Minute vom Band.
Die Produktion in Vorarlberg stößt unterdessen auch auf andere Hürden. Am vergangenen Sonntag hatten die Bürger in Ludesch über Ausbaupläne von Rauch abgestimmt. Die Umwidmung der Grünfläche in Bauland wurde mit 56,1 Prozent abgelehnt. Die Absicht war schon 2016 bekannt gegeben worden. Einen Zusammenhang zum US-Werk gebe es aber nicht, die Projekte seien „völlig getrennt“ zu sehen, hieß es.
In Nordamerika rechnet sich Red Bull die größten Wachstumschancen aus. Wobei der Wettstreit hier besonders intensiv ist. In den USA ist Red Bull laut Marktforschern mit knapp 40 Prozent Anteil führend im Segment der Energy Drinks. Der börsenotierte US-Rivale Monster Beverages, an dem Coca-Cola knapp ein Fünftel hält, erreicht etwa 35 Prozent, ständig kommen neue Mitbewerber auf den Markt.
Für Red Bull war das Vorjahr übrigens abermals von Rekorden gekrönt: 6,79 Milliarden Dosen wurden verkauft, um 7,7 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Der Umsatz stieg um 3,8 Prozent auf mehr als 5,5 Milliarden Euro.
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