Wenn die Pillen mit der Post kommen

Die österreichischen Apotheker sehen sich als beratende Nahversorger, nicht als Versandhändler.
Die Konkurrenz aus dem Internet bringt die österreichischen Unternehmen unter Druck.

Es ist Schnupfenzeit und man möchte meinen, dass die Kassen der Apotheken in dieser Zeit automatisch klingeln. Doch die 1340 eigentümergeführten Apotheken und Filialen in Österreich stehen wirtschaftlich unter Druck.

Die Kassenumsätze stagnieren, die Erlössituation ist angespannt. Der Beitrag, den die Apotheken zur Gesundung der Krankenkassen beitragen, forciert diese Entwicklung. Laut KMU Forschung Austria verzeichnete 2013 fast ein Drittel aller Apotheken negative Zahlen. "Wir verzeichneten einen realen Umsatzrückgang um 0,9 Prozent", sagt Christian Müller-Uri, Präsident der österreichischen Apothekenkammer. "Das erste Halbjahr 2014 schaut etwas besser aus, die Situation ist dennoch sehr angespannt."

Medikamente online verkauft

Hinzu kommt, dass Onlineanbieter zunehmend in den österreichischen Medikamentenmarkt drängen. Die Apotheker stehen der Konkurrenz aus dem Web kritisch gegenüber. Es wird auf die unsichere Qualität der online georderten Präparate sowie auf das Fehlen einer kompetenten Beratung verwiesen. Inzwischen hat die Branche aber erkannt, dass sie sich dem Geschäft im Netz nicht länger entziehen kann. Im Mai dieses Jahres stieg der österreichische Apothekerverband mit der Plattform www.apodirekt.at ins Onlinegeschäft ein (siehe unten). Mehr als die Hälfte der österreichischen Apotheker beteiligen sich daran.

Gleichzeitig warnt die Apothekerkammer vor gefälschten Medikamenten aus dem Internet. Erst vor wenigen Tagen ist ein Fälscherring aufgeflogen, der Waren im Wert von drei Millionen Euro online verkauft hat. "Es wurde versucht, gefälschte Arzneimittel in den legalen Markt in Österreich einzuschleusen", betont Müller-Uri. Die online angebotenen Präparate sind zwar manchmal billiger, doch keiner weiß, was wirklich im Medikament enthalten ist, warnt der Präsident der steirischen Apothekerkammer, Gerhard Kobinger. Vor allem Lifestyle-Produkte wie Potenzmittel, Schlankheitspillen und Antidepressiva werden im Internet bestellt.

Laut der derzeitigen Rechtslage dürfen rezeptpflichtige Medikamente in Österreich nicht bestellt werden, rezeptfreie können über Online-Apotheken aus dem EU-Raum bezogen werden. Ab 25. Juni 2015 dürfen rezeptfreie Medikamente auch in Österreich über das Internet verkauft werden. Viele Anbieter bereiten sich schon darauf vor. Dann werden wegen des größeren Wettbewerbs auch die Preise für Medikamente sinken, erwarten Experten.

Ende April hat die österreichische Apothekerkammer die Online-Plattform APOdirekt gestartet. 800 Apotheken beteiligen sich, das Sortiment umfasst 11.000 Produkte. Medikamente können von Kunden online reserviert werden und in einer Apotheke nach Wahl abgeholt werden, eine Zustellung ist nicht möglich. Der Vorteil für den Kunden: Die gewünschten Waren liegen auf jeden Fall bereit und man kann sich beraten lassen. „Die Plattform ist für uns vor allem ein Kommunikationsinstrument“, sagt Viktor Hafner, APOdirekt-Projektmanager und Vizepräsident der Apothekerkammer Wien. „Es war nicht die Intention, einen Riesenumsatz zu lukrieren.“ Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) bescheinigt der Plattform einige Startprobleme. „Eine von fünf kontaktierten Apotheken hat auf die Onlinebestellung gar nicht reagiert, einmal wurde ein falsches Produkt zur Abholung bereitgestellt“, sagt Angela Tichy, Gesundheitsexpertin des VKI.

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