Weniger Nachtdienst-Apotheken: Droht ein Medikamenten-Engpass?

Durch den Brexit soll es zu keinen Engpässen kommen
Apothekerverband will Bereitschaftsdienste vor allem in Wien drastisch einschränken. Dafür am Tag länger öffnen.

Wenn Apotheker Jürgen Rehak um 3 Uhr in der früh rausgeklingelt wird, stellt er sich auf einen Notfall ein. Es heißt schließlich „Apotheken-Notdienst“, wenn die ganze Nacht und übers Wochenende dringend benötigte Medikamente erhältlich sind. „Da kommen aber Leute und kaufen Taschentücher oder einen Schwedenbitter-Ansatz“, schildert Rehak eine Entwicklung, die ihn sauer aufstößt. Denn das Supermarkt-ähnliche „Late-Night-Shopping“ an der Nachtdienst-Klappe sei nicht mehr länger finanzierbar.

Die Kosten für das gesetzlich vorgeschriebene Offenhalten übersteigen die Zusatzeinnahmen bei weitem. Auch deshalb, weil eine Mindestanzahl an Personal bereitgestellt werden muss. „Der Bereitschaftsdienst kostet 33 Mio. Euro jährlich und wird von den Apotheken nahezu zur Gänze selbst finanziert“, sagt Rehak. Als Präsident des Apothekerverbandes vertritt er 1370 selbstständige Apotheken.

Nachtapotheken sollen drastisch reduziert werden

15 statt 40

Da die öffentliche Hand nicht bereit ist, den Mehraufwand abzugelten, will Rehak das Nachtdienste-Angebot drastisch einschränken. So sollen etwa in Wien von derzeit 40 Nachtapotheken nur noch 15 übrig bleiben. „Zürich kommt nach 22 Uhr mit nur einer Apotheke für die ganze Stadt aus“, nennt der Vorarlberger ein Beispiel. Zuständig für die Bereitschaften sind Magistrate und Bezirkshauptmannschaften, das Öffnungszeitengesetz wiederum ist Bundessache.

Apothekenautomaten?

In Deutschland stellte die niederländische Versandapotheke DocMorris Apothekenautomaten auf, um rezeptfreie Medikamente rund um die Uhr verkaufen zu können. Die Idee wurde aber sehr rasch wieder gerichtlich gestoppt. Die Abgabe von Medikamenten ist in Deutschland nur in einer Apotheke oder durch den Versandhandel einer Apotheke zulässig. So auch in Österreich.

Weniger Nachtdienst-Apotheken: Droht ein Medikamenten-Engpass?

Jürgen Rehak, Präsident Apothekerverband

Längere Öffnungszeiten

Mehr Spielraum wollen die Apotheken auch bei den Tages-Öffnungszeiten. Im Schnitt hat jede Apotheke nur rund 49 Stunden pro Woche geöffnet, während der Einzelhandel bis zu 72 Stunden aufsperren darf. „Die Öffnungszeitenverordnung für Apotheken ist nicht mehr zeitgemäß“, so der Branchensprecher. Er hofft auf die rasche Umsetzung einer Gesetzesnovelle, die Anfang 2020 inkraft treten könnte.

Die heimischen Apotheken setzten im Vorjahr rund 3,8 Mrd. Euro um, davon 2,9 Mrd. Euro mit verschreibungspflichtigen Medikamenten (plus 2,9 Prozent) und 877 Mio. Euro mit rezeptfreien (plus 2,7). Während die Ausgaben steigen, hätten die Krankenkassenspannen in den vergangenen Jahren kontinuierlich abgenommen, klagt Rehak. Im Vorjahr gab es – nicht zuletzt durch die gesetzlich verordnete Preisbremse bei Medikamenten – ein historisches Tief von 14,54 Prozent. Um nicht länger von sinkenden Spannen abhängig zu sein, wollen die Pharmazeuten ihre Leistungen künftig anders abgegolten haben.

Berater-Honorar

„Wir wollen weg vom Margensystem hin zum Honorarsystem“, erläutert Rehak. Konkret sollen für Beratungsleistungen rund um die Ausgabe rezeptpflichtiger Medikamente den Kassen bestimmte Honorarsätze verrechnet werden. Vor allem die Dienstleistungen rund um das Thema E-Medikation wie etwa der Sicherheitscheck bei Medikamenten könnten so honoriert werden. Erste Berechnungen laufen bereits.

Noch ziemlich unrund verläuft die am 9. Februar gestartete Umsetzung der Arzneimittel-Fälschungsrichtlinie. Wie berichtet müssen Apotheken an der Kassa die Echtheit des ausgegebenen Medikaments überprüfen. Die Daten seien aber noch unvollständig und zum Teil fehlerhaft, klagt Rehak.

Kommentare