Was der neue „Personalausweis“ für Medikamente bringt

Was der neue „Personalausweis“ für Medikamente bringt
Ab Samstag überprüfen Apotheken die Echtheit jedes rezeptpflichtigen Arzneimittels. Das soll Fälschern das Handwerk legen.

Die Tabletten-Schachtel lässt sich schwerer öffnen, dafür ist der Inhalt garantiert keine Fälschung: Ab heute, Samstag, startet europaweit ein neues Schutzsystem, das zusätzliche Sicherheitsmerkmale für Medikamente vorschreibt. Hintergrund ist eine EU-Richtlinie aus dem Jahr 2011, die von insgesamt 32 Ländern umgesetzt wird.

Um Fälschern das Handwerk zu legen, müssen alle rezeptpflichtigen Arzneimittel auf der Verpackung einen neuen Sicherheitscode (2-D-DataMatrix-Code, Anm.) tragen. Mit diesem digitalen „Personalausweis“, der Produktcode, Chargenbezeichnung und Ablaufdatum enthält, lässt sich per Scan in der Apotheke oder im Spital die Echtheit überprüfen. Zudem verhindert ein Manipulationsschutz, dass die Schachteln geöffnet und Pillen umverpackt werden. Auf diese Weise können gefälschte Medikamente abgefangenen werden, bevor sie beim Patienten landen und Schaden anrichten.

Plastik-Versiegelung

Die zusätzliche Plastik-Versiegelung verhindert aber auch, dass die Packung wie gewohnt vom Patienten einfach aufgemacht werden kann. „Da werden die Apotheken speziell älteren Personen behilflich sein“, verspricht Gerhard Kobinger, Präsidiumsmitglied der Apothekerkammer. Längere Wartezeiten in den Apotheken soll es durch den Echtzeit-Check nicht geben. Die Rückmeldung erfolgt innerhalb von 300 Millisekunden.

Was der neue „Personalausweis“ für Medikamente bringt

Die neuen Verpackungen (Beispiel links) lassen sich nicht so leicht öffnen

Kaum Fälschungen

Österreich setzt das neue Sicherheitssystem zwar zeitgerecht um, ist selbst aber kaum von Fälschungen betroffen. Jährlich werden in Österreich 150 Millionen Packungen verschreibungspflichtiger Arzneien ausgeliefert. Die Zahl der in der offiziellen Lieferkette aufgegriffenen Fälschungsfälle ist mit drei bis vier pro Jahr überschaubar. Bei einem Fall wurde eine abgelaufene Charge wiederverpackt. Dies wäre mit dem neuen System sofort aufgeflogen, erläutert Kobinger.

Viel größer ist die Problematik im Internet – Stichwort Viagra. Online-Shopper sollten daher nur bei registrierten Versandapotheken mit EU-Siegel (weißes Kreuz, Anm.) bestellen. Für alle rezeptpflichtigen Arzneien, die vor dem Stichtag 9. Februar für den Verkauf freigegeben wurden, gilt noch eine Übergangsphase bis 2024. Bis dahin dürfen sie bedenkenlos an Patienten abgegeben werden, so dass die Sicherheitsmerkmale auf den Packungen erst nach und nach sichtbar sein werden.

Der Aufbau des Datenspeichersystems kostete zwischen 100 und 150 Mio. Euro, die laufenden Kosten pro Jahr dürften ebenfalls in dieser Höher liegen, sagt Jan Oliver Huber von der AMVO (Austrian Medicines Verification Organisation), die in Österreich mit der Umsetzung der Richtlinie betraut wurde. Höhere Medikamenten-Preise soll es wegen des Mehraufwandes nicht geben.

Brexit-Engpässe

Sorgen bereiten den Pharmazeuten drohende Medikamenten-Engpässe nach einem ungeregelten Brexit. Etlichen in Großbritannien zugelassenen Medikamenten droht am 30. März  der Verlust der EU-Zulassung. Durch den Sitz der Europäischen Arzneimittelbehörde EMA ist London zentraler Zulassungs-Hub für die Pharmaindustrie. Mit dem Brexit  müssen die Pharmafirmen aber Zulassung und  Kontrollkapazitäten in einem anderen EU-Land vorweisen, ansonsten dürfen sie ihre Produkte nicht mehr auf den Markt bringen. 

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Christa Wirthumer-Hoche, AGES

Einige Hersteller seien aber säumig, bestätigt auch Christa Wirthumer-Hoche, Leiterin der AGES Medizinmarktaufsicht. „Es wird alles getan, um die Versorgung sicherzustellen.“ Die EMA warnte zuletzt vor Engpässen bei Medizinprodukten wie Herzschrittmachern oder chirurgischen Instrumenten.

Meldepflicht bei Enpässsen

Die AGES will mehr Transparenz in den Bereich Lieferengpässe. Können Pharma-Firmen ein Produkt nicht liefern, sollen sie dies im Vorfeld verpflichtend in ein Register eintragen müssen. Bisher erfolgt die Meldung nur auf freiwilliger Basis. Speziell Spitalsapotheker klagen über häufige Probleme bei wichtigen und nicht mehr vom Patentschutz erfassten Arzneimitteln.

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