Warum vielen bekannten Webshops ab heute die Abschaltung droht

Mehr als 700.000 Österreicher haben eine offiziell registrierte Behinderung. Gerade diese Menschen sind weniger mobil und deshalb verstärkt auf Online-Shopping bei Amazon, Spar oder Billa angewiesen. Sie benötigen allerdings größere, kontrastreiche und damit gut lesbare Schriften, einfache Sprache oder Informationen, die vorgelesen werden. Seit 28. Juni müssen rund 50 derartige Punkte erfüllt sein, damit eine Seite als barrierefrei gilt.
Deshalb muss jeder Internetauftritt von Firmen ab zehn Mitarbeitern oder zwei Millionen Euro Jahresumsatz diese Vorgabe erfüllen. Bei Zuwiderhandlung drohen Webshops nun saftige Strafen bis zu 80.000 Euro. Laut einer Untersuchung von Google könnten davon bis zu zwei Drittel aller Online-Geschäfte betroffen sein.
Im vergangenen Jahr hatte der Experte Werner Rosenberger bereits via KURIER gewarnt, dass die Mehrheit der Webshops nur mangelhaft auf die neuen Regeln vorbereitet ist. Ein Test von zwölf sehr bekannten und großen Betreibern ergab: "Sieben von zwölf der beliebtesten Webshops für Lebensmittel in Österreich sind demnach in der jetzigen Form für viele Menschen mit Behinderungen nicht nutzbar. Mehr als die Hälfte also", erklärte Rosenberger. Hundertprozentig gesetzeskonform war überhaupt keine Seite.
Und neun Monate später?
Kurz vor Ablauf der Frist zeigte eine erneute Prüfung offensichtlich kaum Verbesserungen. Teils kamen sogar neue Probleme dazu, sagt der Niederösterreicher. „Auffällig ist, dass beim Versuch, Bilder mit Texten zu versehen, wohl vermehrt KI-Bilderkennung angewandt wird. Das funktioniert leider noch gar nicht gut - die Ergebnisse sind meist katastrophal schlecht und es wird nicht geprüft, ob die Beschreibungs-Texte für Bilder sinnvoll oder richtig sind“, erklärt Rosenberger von der Hilfsgemeinschaft der Blinden und Sehschwachen Österreichs.
„Blinde Personen werden daher sehr oft mit unnötigen oder sogar falschen Infos abgespeist“, meint Rosenberger.
Jedes EU-Mitgliedsland muss den "European Accessibility Act" zur Harmonisierung aller Vorschriften betreffend Barrierefreiheit ab sofort umsetzen. In Österreich geschieht dies im Rahmen des Barrierefreiheitsgesetzes (BaFG), als Beschwerdestelle fungiert dabei das oberösterreichische Sozialministeriumservice. Dieses kann säumigen Betreibern eine Frist für Korrekturen setzen oder die Seite komplett vom Markt nehmen. Die Beweislast liegt beim Unternehmen.
Nicht barrierefreie Shops könnten auch bei Google schlechter gereiht werden, warnen die Experten der Internet-Agentur mstage. Dazu kommen Geschäftseinbußen, weil die betroffenen acht Prozent der Österreicher dann eben bei der barrierefreien Konkurrenz einkaufen.
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