Was Spenden wirklich kostet

Wie trifft der Mensch finanzielle Entscheidungen?
Sammeln für wohltätige Zwecke wird immer mühsamer und professioneller, Aufwand bis zu über 30 Prozent der Einnahmen.

Vor Weihnachten ist Hochsaison. Da wird gepunscht und matiniert, ersteigert und diniert. In den Einkaufsstraßen machen Keilertrupps Jagd auf Passanten, klappern Wohnblocks ab oder telefonieren potenziellen Gebern hinterher. Die Postkästen quellen mit Erlagscheinen über. Alles für den guten Zweck. Fundraising nennt sich das Einsammeln von Spenden. Fast zwei Drittel der Österreicher öffnen ihre Geldbörsen für Wohltätiges, in Summe dürften heuer 510 Millionen Euro zusammenkommen. Die Spender sind mit durchschnittlich 110 Euro zwar etwas großzügiger geworden, doch die Zahl der Geber sinkt.

Andererseits wollen immer mehr Organisationen Gutes tun, weil der Staat immer weniger will oder kann. Tausende Vereine bitten um die Gunst der Spender. Am Markt der Mildtätigkeit herrscht längst ein Verdrängungswettbewerb wie in der Privatwirtschaft. An die Geldgeber kommt man meist nur noch mit professionellen Methoden heran. Auf Helfer, die für Gottes Lohn arbeiten, können sich allenfalls kirchliche Organisationen oder die Feuerwehren verlassen. Wer Gutes tut, hat Nebenkosten, die je nach Organisationsgröße und Spendenzweck beträchtlich differieren. Zu glauben, von 100 Euro Spende würden tatsächlich die ganzen 100 Euro bei den Bedürftigen ankommen, ist illusorisch.

Am lockersten sitzt das Geld für Kinder und Tiere. Projekte für Drogensüchtige oder Amnesty International haben’s ungleich schwieriger. „Bei einer guten Organisation sollte der Werbe- und Verwaltungsaufwand nicht über 25 Prozent liegen“, meint Günther Lutschinger, Chef des Fundraising Verbands Austria (FVA).

Die Caritas findet mit durchschnittlich 7,5 Prozent ihr Auslangen. „Das ist nur auf Grund der Größe unserer Organisation möglich“, schränkt Sprecherin Sonja Jöchtl ein. Die Stück-Kosten für 100.000 Briefe sind wesentlich niedriger als für 10.000 Schreiben. Der Großteil der Hilfsgelder kommt immer noch über die Freiwilligen in den Pfarren, die mit den Sammelbüchsen rennen.

Die Clowndoctors der Roten Nasen tun sich nicht so leicht. Sie weisen in ihrem Finanzbericht 2012 1,63 Millionen Euro für Spendenwerbung aus, immerhin fast 33 Prozent der Einnahmen. „Natürlich ist das hoch, aber das Geld kommt ja nicht von alleine herein. Fundraising ist teuer“, erklärt Geschäftsführerin Edith Heller. Weshalb jetzt getestet wird, ob der Einsatz eigener Mitarbeiter kostengünstiger ist als die beauftragte Fundraising-Agentur.

„Wir weisen diese Kosten aber sehr transparent aus. Die sind doch bei allen in etwa gleich hoch, wenn man ein gewisses Volumen an Spenden generieren will“, argumentiert Heller. Damit hat sie Recht. Die Finanzberichte der mildtätigen Vereine lassen sehr oft an Transparenz zu wünschen übrig, „da müssen wir noch viel Überzeugungsarbeit leisten“, meint FVA-Chef Lutschinger.

Die Kinderhilfe Ronald McDonald braucht keine professionellen Fundraiser. Die Fast-Food-Kette unterstützt beim Sammeln und Ehrenpräsidentin Sonja Klima lässt nicht nur ihre gesellschaftlichen Kontakte spielen: „Das ist ein Fulltime-Job mit weit mehr als 40 Stunden die Woche. Nur auf Events laufen und schön sein, das bringt’s nicht.“ Klima, die Sponsoren dazu bringt, für die Kinderhilfe-Gala Werke von Top-Künstlern wie Andy Warhol zu spenden, ist angestellt, will aber ihr Gehalt nicht verraten. Immerhin blieben von der letzten Gala 460.000 Euro Reinerlös.

„Das Marketing von Unternehmen wird immer persönlicher, da müssen die Spendenorganisationen mit, sonst gehen sie unter. Die Aufmerksamkeit der Leute ist ohnehin schon so abgelenkt“, weiß Christian Schober, Leiter des Kompetenz-Zentrums für Non-Profit-Organisationen an der WU Wien. Keilen auf der Straße „mag vielleicht unsympathisch sein, aber ist es ethisch verwerflich, wenn man so Gelder für die Krebsforschung lukriert?“.

Die Fundraising-Agenturen sind gut im Geschäft. Sie bieten den Hilfsorganisationen Unterstützung jeglicher Art, von Straßen- und Haustüraquisitionen bis zu „Komplettpaketen“ inklusive Callcenter und Verwaltung der Spender-Datenbank. Der Marktführer Direct Mind des ehemaligen Adressenhändlers Wolfgang Zednicek weist einen Bilanzgewinn von fast 3,3 Millionen Euro aus und kann noch Mitarbeiter für „Outbund Telefon-Fundraising“ brauchen. Voraussetzung: „Dynamisch, redegewandt, Deutsch als Muttersprache, verlässlich, kommunikativ und belastbar“.

In Deutschland haben sich Agenturen sogar auf Nachlass-Fundraising spezialisiert. Ein Vertreter referierte am Kongress der Branche in Wien zum Thema: „Erben wäre großartig!“ Außerdem am Programm: Tipps für „Smart Phone Fundraising“ oder „Strategische Spenderbindung durch Touchpoint Fundraising“.

Viel Spendengeld schlummert übrigens in den Stiftungen. Von den 100 Milliarden Euro Vermögen fließen nur 20 bis 25 Millionen Euro in Wohltätiges. In Deutschland investieren Stiftungen 15 Milliarden und in der Schweiz 1,2 Milliarden in gemeinnützige Projekte. Österreichs reichste Frau, Heidi Horten, schüttet aus zwei Stiftungen in Zürich großzügig an Krankenhäuser aus.

Anders als Private und Unternehmen können Stiftungen in Österreich Spenden steuerlich nicht geltend machen. Laut Regierungsprogramm soll sich das ändern. Er habe nie verstanden, sagt Lutschinger, „warum man dieses enorme Potenzial brach liegen lässt“.

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